Der einsame Baum - Covenant 05
Singen der Dromond spürte, begriff sie, daß die Sternfahrers Schatz stark krängte, so daß die Hängematte in schiefem Winkel baumelte. Durch den Rumpf des Riesen-Schiffs bemerkte Linden die Schwingungen von Wind und See. Die Trübnis stammte weder von abendlicher noch frühmorgendlicher Dämmerung. Es handelte sich um die von Wolken verursachte Düsternis eines Unwetters. Der Sturm war wüst; und er schwoll allmählich zu Ungeheuerlichem an.
Lindens Geist wimmelte von Schlangen. Sie vermachte sie nicht abzuschütteln. Aber da erregte eine Bewegung am Tisch ihre Aufmerksamkeit. Sie spähte durch das Dunkel und erkannte Cail. Er saß auf einem Stuhl und beobachtete sie, als könne keine Unzulänglichkeit, kein Verrat ihrerseits irgend etwas an seiner Pflicht ändern. Dennoch wirkte er in der verwaschenen Dunkelheit der Kabine so unumschränkt wie die Gestalt eines Richters, der darauf aus war, jeden einzelnen Anhaltspunkt ihrer Nutzlosigkeit gegen sie zu verwenden. »Wie lange ...?« röchelte Linden. Die Wüste stak noch in ihrer Kehle, trotzte ihrer Erinnerung an den Diamondraught. Sie ahnte, einige Zeit war verstrichen. Zuviel Zeit – genug, daß alles sich zum noch Schlechteren entwickelt haben machte. »Wie lange war ich weggetreten?«
Cail stand auf. »Einen Tag und eine Nacht.«
Ungeachtet der Unerbittlichkeit Cails heftete Linden ihren Blick energisch in sein undeutlich erkennbares Gesicht, um nicht zurück zwischen die Schlangen zu fallen. »Covenant?«
Der Haruchai hob andeutungsweise die Schultern. »Des Ur-Lords beklagenswerter Zustand ist derselbe.« Du hast versagt , hätte er ebensogut äußern können. Falls du je den Willen hattest, deine Bemühungen zu einem Erfolg zu bringen.
Unbeholfen verließ Linden die Hängematte. Sie mochte nicht wie ein Opfer vor Cail liegen. Er machte Anstalten, ihr zu helfen; aber sie lehnte seine Unterstützung ab, stieg allein auf die Trittleiter und dann auf den Fußboden, um zu versuchen, ihm auf gleicher Ebene zu begegnen. »Selbstverständlich wollte ich Erfolg haben.« Noch immer auf der Flucht vor Bildern aus Covenants Innenwelt, ging sie mit ihren Bemerkungen weiter als beabsichtigt. »Gebt ihr mir eigentlich an allem die Schuld?«
Cails Miene blieb ausdruckslos. »Das sind deine Worte.« Sein Ton zeichnete sich durch die Strenge einer Rüge aus. »Kein Haruchai hat sie gesprochen.«
»Ihr braucht sie nicht auszusprechen«, erwiderte sie, als hätte Covenants Elend in ihrer Brust etwas zerbrochen. »Sie stehen euch im Gesicht geschrieben.«
Erneut hob Cail die Schultern. »Wir sind, wer wir sind. Du verwahrst dich ohne Belang.«
Linden wußte, er hatte recht. Es gab keinen Grund, ihren Ärger über sich selbst gegen ihn zu richten, als trüge er dafür die Verantwortung. Aber sie hatte inzwischen zuviel an Abneigung hingenommen. Und sie war, wieder einmal wie gelähmt, von neuem gescheitert. Sie mußte einiges von ihrer Erbitterung loswerden, bevor sie daran zu kranken begann.
Wir sind, wer wir sind. Ähnliches hatte Pechnase von den Elohim behauptet. »Natürlich«, fauchte sie gedämpft. »Gott bewahre, daß ihr irgend etwas falsch machen oder denken oder gar im Unrecht sein könntet. Na, ich will dir mal folgendes sagen. Kann sein, ich habe eine Menge falsch gemacht. Vielleicht sogar alles.« Niemals würde sie dazu imstande sein, auf den Vorwurf all ihres Versagens eine Antwort zu geben. »Aber als ich euch aus Elemesnedene fortgeschickt, als ich die Elohim tun gelassen habe, was von ihnen mit Covenant angestellt worden ist, da war das immerhin ein Versuch , richtig vorzugehen.«
Cail musterte sie gleichgültig, als habe er nicht vor, darauf etwas zu entgegnen. Aber dann bezog er doch dazu Stellung, und seine Stimme klang nach verhohlener Schärfe. »Das bezweifeln wir nicht. Glaubt die Verderbnis nicht ebenso vollauf an ihre Richtigkeit?«
Da drohte Linden aus Betroffenheit das Blut zu stocken. Bis jetzt war ihr nicht in vollem Umfang klar gewesen, wie sehr die Haruchai die von ihr in Elemesnedene getroffenen Entscheidungen mißbilligten. Sie spürte hinter Cails unbewegter Miene das Vorhandensein einer verhängnisvollen Eigenheit, die auch die Bluthüter besessen haben mußten. Diese Menschen verstanden nicht zu verzeihen. Nahezu gewaltsam riß sich Linden zusammen. »Ihr vertraut mir nicht im geringsten«, sagte sie mit gepreßter Stimme.
Cails Erwiderung lief auf das gleiche hinaus wie sein Achselzucken. »Wir sind dem Ur-Lord verschworen.
Weitere Kostenlose Bücher