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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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hatte. Nach einem Moment warf er die Kleidungsstücke mit Entschiedenheit in eine Ecke. Dann kniete er sich vor Linden, nahm sie in die Arme.
    Als sie später zusammen an Deck traten, trug er das wollene Gewand, das man ihm zur Verfügung gestellt hatte, als feie seine Leprose ihn gegen die spätherbstliche Kühle der Luft. Seine Entscheidung erleichterte Linden; und doch erweckte er in dem Gewand den Eindruck mangelhaften Vorbereitetseins, als hätte seine Liebe zu ihr ihn um mehr Abwehrmittel und Verteidigungsmöglichkeiten gebracht, als sie verstehen oder ausgleichen konnte.
    Sie begannen den Tag, indem sie auf den Decks umherspazierten und warteten. Alle an Bord warteten, sie und Covenant und ebenso die Riesen. Immer wieder sah man Besatzungsmitglieder bei der Arbeit verharren, um über den Bug des Schiffs nach vorn auszuspähen. Während des ganzen Vormittags jedoch ließ sich nichts erkennen als die Weite der See, die sich bis zu den Enden der Welt erstreckte. Nach dem Mittagessen schickten sie sich weiter ins Warten; und noch immer war nichts zu sehen.
    Am Mittnachmittag aber ertönte endlich der Ruf – ein Aufschrei der Ankündigung, der nichtsdestotrotz infolge von Lindens Anspannung in ihrem Gehör einem Jammergeheul glich. Riesen sprangen in die Wanten, um zu schauen, was der Ausguck erspäht hatte. Von unten kam Seeträumer zum Vorschein, klomm grimmig in die Takelage. Einen Moment lang preßte sich Covenant an die Reling des Vordecks, als könnte er seinen Augen dadurch eine größere Reichweite verleihen. »Komm mit«, sagte er dann leise zu Linden und entfernte sich, um das höhere, als Aussichtspunkt geeignetere Achterkastell zu ersteigen. Wie er konnte sie sich kaum vom Rennen zurückhalten.
    Auf dem Achterkastell befanden sich Blankehans, die Erste und Pechnase sowie ein Riese, der Herzensfreude hielt. Wenig später trafen Derbhand und Windsbraut ein. Gemeinsam schauten die Gefährten nach einem ersten Anzeichen der Insel des Einholzbaums aus.
    Noch eine Länge oder mehr weit blieb der Horizont frei und unerklärbar. Da deutete Blankehans plötzlich mit ausgestrecktem Arm auf einen Punkt fast genau oberhalb des Bugs. Linden konnte weniger weit sehen als die Riesen; aber nach noch einer Länge konnte auch sie die Insel erspähen. In der Ferne nur winzig zu erkennen, lag sie wie ein verhängnisvoller Fleck an der Grenze zwischen Himmel und Meer, wie ein Angelpunkt, um den sich die Erde drehte. Während der Wind die Sternfahrers Schatz rasch vorwärtstrieb, nahm die Insel an Größe zu, als läge ihr daran, die Erwartungen der Sucher möglichst bald zu erfüllen.
    Linden sah Covenant an; aber er wich ihrem Blick aus. Seine Aufmerksamkeit war nach vorn gerichtet; seine gesamte Haltung verriet eine Anspannung, als wäre er einem feurigen Ausbruch nah. Obwohl er nichts sagte, bezeugten seine strengen, abgehärmten Gesichtszüge mit der Deutlichkeit von Worten, daß hier für ihn die Entscheidung über Leben und Tod bevorstand.
    Allmählich enthüllte die Insel im Näherrücken der Besatzung des Schiffs Einzelheiten ihrer Beschaffenheit. Sie ragte auf wie ein Hügelgrab aus altem Stein, das man auf der Oberfläche der See errichtet hatte. Wind und Wetter hatten die grauen, zerklüfteten Felsen abgeschliffen und verwittert, mit dem Ergebnis, daß sie, wo Sonnenschein auf sie fiel, beinahe wie von reinem Weiß wirkten, fast schwarz dagegen, wo sie im Schatten lagen. Das Felsgestein glich einer Flußinsel zwischen Tag und Nacht – schroff, ehrwürdig ergraut und unzerstörbar. Ihr Gipfel erhob sich hoch über die Mastspitzen des Riesen-Schiffs; die Form der oberen Bereiche deutete an, daß die Insel einmal ein Vulkan gewesen war oder heute größere Hohlräume besaß.
    Später war die Dromond nahe genug, um erkennen zu lassen, daß die Insel umgeben war von einem unregelmäßigen Ring aus Riffen, die in die Luft aufragten wie Zähne, die viele Lücken aufwiesen; allerdings war keine davon breit genug, um der Sternfahrers Schatz die Durchfahrt zu erlauben.
    Als sich die Sonne zu sinken anschickte, brachte Blankehans das Riesen-Schiff auf einen Kurs zur Umrundung der felsigen Insel, um möglicherweise auf der anderen Seite doch eine Durchfahrt ausfindig zu machen, während die übrigen Gefährten nach irgendeinem Hinweis auf das Vorhandensein des Einholzbaums ausspähten. Lindens Augen hingen regelrecht an der Felsinsel; sie betrachtete jede Schattierung von Hell und Dunkel vom Gipfel bis zum Ufer mit

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