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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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vor. Nachdem sie eine weitere Länge zurückgelegt hatte, schwamm die Sternfahrers Schatz durch eine Region des Meeres, in der es von Nicor wimmelte.
    Ihre gewaltigen Leiber durchbrachen jeder an mehreren Stellen gleichzeitig die Wasserfläche; gemeinsam verwandelten sie die See in einen Schauplatz massenhaften Getummels. Ihre unter Wasser geführte Unterhaltung dröhnte auf Lindens Sinne ein. In Erinnerung an den einen Nicor, den sie schon gesehen hatte, sorgte sich Linden um die Sicherheit der Dromond. Diese Geschöpfe jedoch schenkten der Sternfahrers Schatz allem Anschein nach keinerlei Beachtung. Lindens Wahrnehmung konnte in ihren Stimmen keine Anklänge von Feindseligkeit erkennen. Sie bewegten sich ohne Hast oder Gier umher, trieben wie dösig durchs Wasser, als befänden sie sich im Zustand von Lethargie, Langeweile oder ganz einfach Zufriedenheit. Gelegentlich hob ein Nicor ein wuchtiges, breites Maul aus den Wellen, tauchte dann wieder mit einem entfernten Schnauben unter, das sich nach einem Seufzen der Gleichgültigkeit anhörte. Es war Blankehans möglich, das Schiff durch ihre Mitte zu steuern, ohne irgendwie erhöhte Aufmerksamkeit zu erregen.
    »Stein und See!« meinte Pechnase gedämpft zu Linden. »Nie hätte ich geglaubt, in allen Meeren der Erde zusammen könnte es so viele dieser Geschöpfe geben. So wenige Geschichten gibt's von ihnen, daß ein Nicor allein ihren Hintergrund zu erklären vermöchte. Welche Art von See ist's, in die wir die Dromond in so vollständiger Unwissenheit gelenkt haben?« Neben ihm stand die Erste. »Dies wird eine Geschichte sein, die einem jeden Kind Freude bereitet«, fügte er hinzu, indem er zu ihr aufsah. Die Erste erwiderte seinen Blick nicht; doch das Lächeln, das ihre harten Augen milderte, war so zärtlich wie die Zuneigung in Pechnases Tonfall.
    Aufgrund von Blankehans' Vorsicht durchquerte das Riesen-Schiff die Ansammlung von Nicor nur langsam; gegen Mitte des Nachmittags jedoch waren die Kreaturen hinter der Dromond zurückgeblieben, und die Sternfahrers Schatz nahm von neuem ihre vorherige schnelle Fahrt auf. Am Abend befiel eine Stimmung übertriebener Heiterkeit die Riesen. Sie spaßten und sangen unter den unauslöschlichen Sternen wie fieberhaft überdrehte Halbwüchsige, desinteressiert am Zweck der Suche oder an Seeträumers Qual; und Pechnase tat sich mit ausgiebigen Kapriolen gezwungenen Humors besonders hervor, als wäre er der Hysterie näher als jeder andere. Aber Linden spürte ihre wirklichen Gefühle. Die Riesen stärkten sich gegen die eigenen Ängste, gaben ihrer Beunruhigung in gemeinschaftlichem Frohsinn ein Ventil. Pechnases wilde Anstrengungen steigerten die allgemeine Stimmung zur Ausgelassenheit, erzeugten zu guter Letzt sogar einen Humor, der weniger verzweifelt war und tröstlicher – herzlich, lauter und unüberwindlich. Hätte sich Covenant zu den Riesen gesellt, Linden wäre mitgegangen.
    Aber er verzichtete darauf. Er blieb abseits, als wäre er durch den Widerruf des Versprechens der Haruchai bis in den Kern all seiner Kraft erschüttert, für jeden Trost unempfänglich geworden. Oder vielleicht hielt er sich zurück, weil er vergessen hatte, wie es war, allein zu sein, wie er sich seinem Verhängnis stellen konnte, ohne seine Einsamkeit zu verabscheuen. Als er und Linden sich unter Deck begaben und die Kabine aufsuchten, hockte er sich aufs Lager, wie wenn er selbst die bloße Wohltat ihres Fleischs kaum ertragen könnte. Der Einholzbaum war nah. Das gedämpfte Lärmen der Riesen in den Ohren, stand Linden dicht davor, ihn zu drängen: Tu es nicht! Schick mich nicht zurück! Doch ihre eingefleischte Zaghaftigkeit hinderte sie daran, und sie sah von diesem Risiko ab.
    Die ganze Nacht hindurch war ihr, als träume sie altvertraute Alpträume. Aber als sie erwachte, waren sie aus ihrer Erinnerung verschwunden.
    Covenant stand neben seiner Hängematte, drehte Linden den Rücken zu. In den Händen hatte er seine alte Kleidung, als spiele er mit dem Gedanken, sie anzuziehen. Linden beobachtete ihn mit Schmerz in den Augen, bat ihn wortlos, sich nicht in das zurückzuverwandeln, was er gewesen war, nicht das wiederherzustellen, was sie füreinander gewesen waren. Anscheinend spürte er ihre Aufmerksamkeit; er wandte sich um, erwiderte ihren Blick. Obwohl seine Vorahnungen in bezug auf den Einholzbaum eher banger als eifriger Natur waren, zeichnete er sich noch immer durch Stärke aus, war so gefährlich, wie sie ihn in Erinnerung

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