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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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vorwärts, als würde es mit hoher Geschwindigkeit angetrieben, eile dem ungewissen Schicksal geradezu entgegen. Kolossal ragte die Insel in die Nacht empor, so bedrohlich wie die Pforte zur Hölle für alles, was sich ihr näherte.
    Plötzlich und auf irrationale Weise empfand Linden höchste Besorgnis, das Boot könne gegen ein Riff laufen und sinken. »Leicht nach steuerbords«, sagte jedoch auf einmal mit leiser Stimme die Erste. Das Langboot wechselte geringfügig die Richtung. Ein paar Sekunden später sah man zu beiden Seiten die unregelmäßigen Umrisse von Korallen aus den Fluten lugen. Ihr unvermutetes Erscheinen verursachte, daß Linden zusammenzuckte. Aber das Langboot passierte die gefährliche Stelle unbehelligt und gelangte in ruhigeres Wasser.
    Aus dem gegenwärtigen Blickwinkel – so nah überm Meeresspiegel, inmitten der Nacht, die sich vom einen zum anderen Horizont erstreckte – schien die Insel viel weiter entfernt zu sein, als wenn man sie von der Sternfahrers Schatz aus betrachtete. Für einige Zeit kamen die Gefährten jedoch gut voran. Gedrängt von seinen Visionen, legte sich Seeträumer kraftvoll in die Ruder, stieß sie mit jedem Schlag wuchtig in die Nocken; und Blankehans stand dem kräftigen Takt seines Bruders, wenn ihn vielleicht auch nicht dessen Dringlichkeit trieb, nicht nach. Infolgedessen wuchs die Insel langsam an, wirkte noch unversöhnlicher, strebte gen Himmel, als wäre sie der Sockel, auf dem das ganze Firmament der Sterne ruhte. Linden begann zu befürchten, daß die Felshänge sich im Dunkeln als unersteigbar erweisen mochten, daß sie womöglich gar nicht hinaufklettern konnten, falls Covenant seine Höhenfurcht nicht zu meistern verstand. Seine Hand fühlte sich in ihren Händen so eiskalt an, als wären ihm die Knochen im Leibe zu Frost geworden.
    Wenig später vergaß sie diese Sorge, vergaß sogar, Covenants Finger zu umfangen. Sie starrte der Veränderung entgegen, die sich mit der Insel vollzog.
    Die Erste und Pechnase richteten sich auf. Das Langboot schwamm noch ein Stück weiter, kam zum Stillstand. Blankehans und Seeträumer hatten die Ruder aus dem Wasser gehoben, um über den Bug zu ihrem Ziel hinüberschauen zu können.
    Wolken und Schwaden von Nebel flossen von den Hängen der Insel herab. Der Nebel schien sich wie Dunst aus unsichtbaren Spalten im Gestein zu erheben. Zum Teil kräuselte er sich aufwärts, zerfranste und verwehte in der Klarheit der Nacht. Der Großteil jedoch strömte abwärts zur See, sammelte und verdichtete sich, wo die Schwaden sich vermischten.
    Der Nebel leuchtete. Allem Anschein nach schimmerte er nicht aus sich selbst heraus. Vielmehr sah er aus wie gewöhnlicher Nebel bei Vollmond. Aber es schien kein Mond. Und die Helligkeit erfaßte nur den Nebel. Stattliche Fahnen und Schwaden weißlicher Luft wallten herab wie Kondensationen von Mondschein, erhellten nichts außer sich selbst.
    Wo sein Glanz wie eine Ausdünstung von Kälte sich über die Ufer der Insel ausbreitete, begann der Nebel aufs Meer zu quellen. Allmählich verschwand die gesamte Insel im Nebel, ausgenommen ihr Berggipfel. Silbern und geisterhaft dehnte sich der Nebel bis zum Langboot aus, als wolle er den ganzen Umkreis der Insel bis zu den Riffen mit seinem Schimmern ausfüllen.
    Linden mußte den Wunsch nach Flucht unterdrücken. Sie empfand mit grausiger Sicherheit, daß sie von dieser unheimlichen, unerklärlichen Luft nicht berührt werden mochte. Aber für die Sucher gab es nur den einen Weg nach vorn. Mit einem seltsam gleichermaßen strengen und nachsichtigen Befehl veranlaßte die Erste Blankehans und Seeträumer zum Weiterrudern. »Ich bin des Wartens müde«, sagte sie. »So hier unsere Zukunft liegt, dann laßt uns ihr aus freiem Willen entgegenziehen!«
    Das Schlagen und Sausen der Ruder maß die Annäherung der Gefährten ans Heranwehen des Nebels. Hoch droben glitzerten die Sterne wie zur Warnung; doch das Langboot schwamm geradewegs aufs Herz des feuchten Dunstes zu. Fortwährend wallte der Nebel aufs Meer herab. Schon war er so dicht, daß man die Seiten der Insel nicht mehr sehen konnte, und reichte in solche Höhe, daß er auch den Gipfel fast ganz verschleierte. Aufgrund des Glänzens schien er von Mondlicht zu strotzen, es zu atmen und davon zu gleißen. Sein Auswärtsströmen betonte die Geschwindigkeit, mit der sich das Langboot fortbewegte; das Fahrzeug schien mit irrsinniger Schnelligkeit über die dunkle Wasserfläche zu gleiten.
    Dann gab

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