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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Vollkommenheit erlangt hat, sein Gemüt und das Maß seiner Meisterschaft der gelassenen Erhabenheit der Berge gleicht. Desgleichen heißt's, sollte jemals ein Haruchai selbigen ak-Haru Kenaustin Ardenol aufsuchen und mit ihm streiten, so wird er, sei's in Sieg oder Niederlage, unseres Wertes Maß kennenlernen. Aus diesem Grunde sind wir Haruchai ein Volk von Suchenden. In jedem Herzen in unserer Mitte schlägt die Sehnsucht nach dieser Probe und dem Wissen, das sie verspricht. Doch der Weg, welcher zu ak-Haru Kenaustin Ardenol führt, ist unbekannt, niemals bekannt gewesen. Wie's ebenfalls heißt, darf dieser Weg nicht bekannt sein – nur jener kann ihn beschreiten, der ihn beschreitet, ohne darum zu wissen und ohne nach dem zu streben, dem er entgegenzieht.« Trotz ihrer Ausdruckslosigkeit bezeugte seine Stimme wachsende Erregung. »Ich bin der Haruchai , der das getan hat. Statt in meinem bin ich in deinem Namen an diesen Ort gekommen, ohne das zu suchen, was ich nun gefunden habe. Ur-Lord, wir haben den Dienst an dir aufgegeben. Es ist nicht mein Wunsch, dir mit dem zu dienen, was ich im Sinn habe. Doch du besitzt den aus Weißgold geschaffenen Ring. In deiner Macht steht's, mein Vorhaben zu vereiteln. Solltest du selbst diese Aufgabe angehen, so wird der Versuch ihrer Bewältigung mir verwehrt bleiben – vielleicht allen Haruchai für alle Zeit verwehrt sein. Ich bitte dich, mir zu gestatten, das Wagnis auf mich zu nehmen. Von Ankertau Seeträumers Erd-Sicht verstehe ich nichts. Mir ist allein ersichtlich, daß ich scheitern oder obsiegen mag. So ich versage, fällt die Aufgabe dir zu. Und sollte mir Erfolg vergönnt sein ...« Seine Stimme sank herab, als wäre es ihm unmöglich, die Stärke seines Anliegens auf andere Weise zu mäßigen. »Ur-Lord.« Wie flehentlich hob er die verletzte Faust, die zusammengeballt war, als presse sie selber sich das Blut heraus. »Verweigere es mir nicht, den Sinn unseres Daseins zu suchen.«
    Linden hatte keinerlei Ahnung, wovon Brinn eigentlich redete. Seine Worte kamen ihr so zusammenhanglos vor wie ein Geplapper in einem Alptraum. Nur Seeträumer und Findail zeigten ein gewisses Verständnis. Seeträumer saß mit vors Gesicht geschlagenen Händen da, als könne er nicht verkraften, was er hörte. Und Findail stand als einziger da wie ein Mann, der alle Antworten wußte und sie mit Widerwillen betrachtete.
    Mit einer schroffen Bewegung wischte sich Covenant den Dunstschweiß von der Stirn. Sein Mund erprobte mehrere mögliche Entgegnungen. »Zum Teufel«, knurrte er schließlich, »wovon sprichst du überhaupt?«
    Brinn antwortete nicht. Statt dessen streckte er den Arm aus und zeigte in die Richtung zur Insel. Seine Geste zeugte von derartiger Sicherheit, daß alle Augen im Boot sich in die gewiesene Richtung wandten.
    Irgendwo vor dem Bug des Boots zerteilte ein Windhauch den Nebel, schuf eine Lücke und enthüllte eine kahle Felsbank. Sie befand sich etwas oberhalb des Wasserspiegels. Der trügerische, perlige Nebel erschwerte das Schätzen von Entfernungen; aber der feuchte, dunkle Fels wirkte erheblich näher, als man noch vorhin die Insel selbst gesehen hatte. Möglicherweise war die Felsbank gar kein Bestandteil der Insel. Sie schien ausschließlich innerhalb des Nebels zu existieren. Ein uralter Mann in zerlumptem, farblosem Gewand saß mit überkreuzten Beinen auf der Felsbank. Sein Kopf war, wie in Meditation, halb geneigt. Seine Augen jedoch waren offen. Die milchige Verfärbung von Katarakten oder Blindheit erfüllte seine Augäpfel. Sein Scheitel wies dünne Büschel restlichen Haars auf; graue Bartstoppeln betonten die hohle Eingesunkenheit seiner Wangen. Vom Alter war seine Haut sämig, seine Gliedmaßen waren bis zur Auszehrung ausgemergelt. Trotzdem emanierte er unheimliche, unvorstellbare Macht. So hätten Brinn und Cail einmal aussehen können, hätte die Intensität ihres Lebens ihnen das Erreichen außergewöhnlich hohen Alters zugestanden. Fast unverzüglich schloß die Nebelwand sich wieder, die Schwaden flossen in geisterhafter Lautlosigkeit von neuem ineinander.
    »Ja«, meinte Findail, als glaube er, niemand könnte ihn hören. »Der Wächter des Baums. An ihm muß man vorüber.«
    Covenant starrte den Ernannten an. Findail mißachtete seinen Blick. Mit einem Ruck drehte er sich Brinn zu. Der Nebel erhellte sein Gesicht wie in einem Aufleuchten des Schreckens. »Ist es das, was du willst?« röchelte seine Stimme in die perlmutthelle Stille. »Es

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