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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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in die Wanten und machte sich daran, die Segel aufzurollen. Sie arbeiteten an allen drei Masten gleichzeitig, reparierten die Beschädigungen am Großmast, während sie an Heck und Bug das Segeltuch aufgeiten und festschnürten. Linden beobachtete sie, als hätte die Wirre in ihrem Kopf sich in äußerlichen Wahnsinn verwandelt. Die Riesen hatten vor, das Schiff fortzubewegen. Und deshalb strichen sie die Segel? Pechnase war der Ersten und Windsbraut bereits nach vorn gefolgt; Blankehans befand sich im Bereich des Achterkastells. Und Seeträumer, der in Lindens Nähe stand – insgeheimen Verdruß in den Augen –, konnte nicht sprechen. Linden fühlte sich wie ein verlassenes Kind, als sie sich an Cail wandte. Doch statt ihr Auskünfte zu erteilen, bot er ihr eine Schüssel mit Essen sowie erneut eine Flasche mit verdünntem Diamondraught an. Linden nahm beides, weil sie nicht wußte, was sie anderes tun sollte.
    Mit wohlüberlegtem Vorsatz kehrte sie bedächtig zurück in den Laternenschein rings um Covenant, setzte sich mit dem Rücken ans Wohlspeishaus; dort war sie ihm so nah, wie ihre Nerven es gerade noch ertragen konnten. Ihre Eingeweide bebten noch immer unter dem Eindruck seiner Erkrankung, aber sie zwang sich dazu, ihm nahe genug zu bleiben, um seine magisch-energetische Hülle beobachten und eventuell sofort handeln zu können, falls das Phänomen verschwand. Und nahe genug, um Hohl im Auge zu behalten. Das auffällige Interesse des Dämondim-Abkömmlings an Covenants Verfassung hatte nicht nachgelassen; aber seiner obsidianschwarzen Gestalt ließ sich nichts von seinen etwaigen Absichten ansehen. Mit einem Seufzer lehnte sich Linden an den Stein und zwang sich zum Essen.
    Was sollte sie anderes tun? Sie bezweifelte, daß dieser energetische Schirm mir nichts, dir nichts einfach verschwinden würde; er wirkte so absolut wie Covenants Qual. Und Hohl starrte diese Hülle unentwegt an, als rechne er damit, der Zweifler werde jeden Moment durch den Boden der Welt ins Nichts fallen.
    Später schlief Linden ein.
     
    Sie erwachte im ersten trüben Glanz des stillen Morgengrauens. Ohne Segel sahen die Masten über ihr, die sich skeletthaft gegen den im Aufhellen begriffenen Himmel abzeichneten, wie ihrer Blätter, ihrer Lebendigkeit beraubte Äste aus. Unter ihr ähnelte die Sternfahrers Schatz eher einem Fels, der auf dem Wasser trieb – einer steinernen Platte, durch das Ersterben jeglichen Windhauchs festgehalten zwischen Himmel und Wasser. Und auch Covenant war dem Tode näher: seine Atmung war merklich flacher und unregelmäßiger geworden. Seine energetische Abschirmung umschloß ihn eng, als bestünde sie aus den Binden, in die man einst Mumien zu wickeln pflegte.
    Auf dem Achterdeck waren keine Riesen zu sehen; nur auf dem Achterkastell befanden sich zwei: Ankermeister Derbhand und eine Riesin am Steuerrad. Auch in den Wanten war niemand, obwohl Linden glaubte, eine Gestalt erspähen zu können, die im Fernschau saß, dem Ausguck hoch oben auf dem Großmast. Ausgenommen Linden selbst, Covenant und Hohl, Brinn, Cail, Hergrom und Ceer hielten sich alle anderen vorn auf. Durch den Stein spürte Linden rege Aktivitäten.
    Für eine Weile konnte sie sich nicht entschließen, was sie anfangen sollte. Ihr Wunsch, zu erfahren, was die Riesen trieben, gab ihr Unruhe ein. Andererseits wußte sie, daß sie an Covenants Seite gehörte. Offenkundig jedoch war es ihr nicht möglich, irgend etwas für ihn zu tun, und ihre Nutzlosigkeit zermürbte sie. Sein Geist war genauso wie seine Kraft ihrem Zugriff entzogen. Bald war sie innerlich zu angespannt, um länger an ihrem Platz zu bleiben. Sie schloß einen Kompromiß mit sich und erklomm das Achterkastell, um Derbhands gebrochenen Arm zu untersuchen.
    Der Ankermeister war für einen Riesen ziemlich hager, und sein altes Gesicht war von für Riesen gleichfalls untypischer Melancholie zerkerbt. Die charakteristische Gutgelauntheit seines Volkes war in ihm durch habituelle Griesgrämigkeit zersetzt worden. Die Falten seiner Wangen glichen Mißbildungen. Dennoch erhellte sich seine Miene, als er Linden kommen sah, und das Lächeln, das er sich abrang, als er hörte, daß sie seinen Arm zu untersuchen wünschte, war immerhin aufrichtig. Er trug den Arm in einer Schlinge. Als Linden das Tuch zur Seite schob, sah sie, daß man den Unterarm ordentlich geschient hatte. Indem sie die Haut mit den Fingern betastete, stellte sie fest, daß ihr von Cail über die Verletzung korrekt

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