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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Clachan erweckte den Eindruck eines einzigen, mit überreichlichen Möglichkeiten ausgestatteten Vergnügungszentrums. Aber wer sollte damit unterhalten werden? Daphin schritt aus, als befasse sie sich ausschließlich mit ihren Überlegungen, nahm anscheinend nichts von allem zur Kenntnis, was rundum geschah. Und jedes Phänomen hatte offenbar vereinzelten, selbstgenügsamen Charakter. Die Abläufe waren in keiner erkennbaren Hinsicht aufeinander abgestimmt und zur wechselseitigen Beobachtung gedacht. Vollführte man das gesamte Schauspiel aus keinem anderen Beweggrund als schlichter Freude an Spaß und Spiel? Ihr Unvermögen, auf diese Fragen Antworten zu finden, beunruhigte Linden. Wie die Sprache der Glöckchen blieben auch die Elohim ihr unbegreiflich. Sie hatte es sich angewöhnt, sich auf die Erweiterung der Sinne, die ihr vom Land verliehen worden war, zu verlassen; hier jedoch erwies sich diese Fähigkeit als ungenügend. Wenn sie eine fontänenartige Wolke aus Federn oder ein formveränderliches Gebilde aus Ophit sah, wußte sie nur deshalb, daß es sich um einen Elohim handelte, weil sie schon genug derartige Inkarnationen mitangesehen hatte. Sie war nicht dazu imstande, in der Gavotte der Schmetterlinge oder dem Knospen flüssiger Schößlinge das Treiben bewußten Lebens zu erkennen, so wenig wie sie Chant und Daphin in der Erde zu ihren Füßen wahrgenommen hatte. Und sie konnte nicht hinter Daphins schöne Fassade schauen. Der geistige Inhalt dessen, was sie sah und hörte, befand sich außerhalb ihrer Reichweite. Nur die allgegenwärtige Fülle von Macht war für sie deutlich erkennbar – eine grundlegende Gewaltigkeit, anscheinend jedem Gefüge oder Gesetz der Existenz überlegen. Was oder wer die Elohim auch sein mochten, sie überforderten Linden bei weitem. Dann fing Linden sich Gedanken über den Zweck der angekündigten »Prüfung« zu machen an, und sie fragte sich, ob dahinter die Absicht stecken konnte, in Erfahrung zu bringen, wieviel Wahrheit sie zu erkennen fähig, ob sie der Rolle würdig war, die die Elohim ihr beimaßen. Falls es sich so verhielt, hatte sie in diesem Test bereits versagt. Aber sie wehrte sich dagegen, sich abschrecken zu lassen. Covenant wäre in seiner verbissenen Zielstrebigkeit niemals zu beirren. Wann immer sie ihn anblickte, sah sie ihn in einer Aura der Gefährlichkeit und alter Halsstarrigkeit, von der Bereitschaft strotzen, sich mit dem Schicksal selbst anzulegen, um das Land zu retten, das er liebte. Nun gut. Sie wollte ihm in nichts nachstehen. Indem sie sich mit Strenge wappnete, richtete sie ihre Überlegungen auf die Prüfung. Ich werde dich nichts fragen , hatte Daphin gesagt. Du wirst mich fragen. Jetzt ergaben diese Äußerungen für Linden mehr Sinn. Mit Fragen würde sie womöglich mehr von dem preisgeben, was in ihr vorging, als mit Antworten. Aber sie fand sich mit dem Risiko ab und überlegte, wie sie an Informationen gelangen könne, während sie möglichst wenig ausplauderte. Es dauerte einen Moment, bis sie trotz der ununterbrochenen Geräuschkulisse der Glöckchen eine klare Frage zu formulieren vermochte. »Wohin gehen wir?« erkundigte sie sich dann in ihrem ärztlich-professionellen, gänzlich sachlichen Tonfall.
    »Gehen?« meinte Daphin unbefangen. »Wir ›gehen‹ nirgendwohin. Wir lustwandeln lediglich.« Linden schaute sie an. »Dies ist Elemesnedene selbst. Hier gibt es keinen anderen Ort, an den wir ›gehen‹ könnten.«
    Linden beharrte auf ihrer vorgegebenen Verständnislosigkeit. »Es muß doch einen geben. Wir laufen ja. Meine Freunde sind woanders. Wie werden wir zu ihnen zurückkommen können? Wie gelangen wir zu dem Elohim -Fest, das du erwähnt hast?«
    »Ach, Sonnenkundige.« Daphin lachte gedämpft. Ihr Lachen klang an dieser Stätte, die weder Mond noch Sonne kannte, nach einem Mondaufgang. »In Elemesnedene sind alle Wege eins. Wir werden deine Begleiter wiedersehen, wenn die Zeit zu einem solchen Wiedersehen gekommen ist. Und es ist nicht notwendig, zur Teilnahme am Elohim -Fest irgendeinen bestimmten Ort aufzusuchen. Es wird am Mittelpunkt stattfinden, und in Elemesnedene ist der Mittelpunkt überall. Wir schreiten von einer zur anderen Mitte, und die Mitte ist auch da, wo wir nun sind.«
    Ist es das, was mit den Riesen geschehen ist, die sich entschlossen hatten, bei euch zu bleiben? Nur mit knapper Not konnte Linden verhindern, daß sie ihren Gedanken laut aussprach. Haben sie hier umherzulaufen angefangen und sich

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