Der einsame Baum - Covenant 05
gewesen.
Der Weg, den wir zu beschreiten haben, sagte ein drittes, ist zu reich an Fährnissen, um der Freundlichkeit zu pflegen. Ihm darf nicht gestattet werden, die Erde zu vernichten.
Linden hörte gar nicht hin. Ihre ganze Wut galt Infelizitas, während sie darauf wartete, daß die hochgewachsene Frau auf ihre mehr oder weniger deutlichen Vorwürfe einging oder sie leugnete. »Sonnenkundige.« Wie zur Warnung klang Infelizitas' Tonfall nun härter. »Ich sehe das Gift, von dem du sprichst. Es ist in ihm offenkundig, so wie das Übel, das du Lepra nennst. Doch wir kennen dagegen keine Abhilfe. Es ist Macht – vorhanden auf Gedeih und Verderb – und zu tief mit seinem Wesen verflochten, als daß es daraus entwirrt zu werden vermöchte. Wolltest du, daß wir ihm die Wurzeln seines Lebens ausreißen? Macht ist Leben, und für ihn sind Gift und Lepra die Wurzeln. Der Preis eines solchen Beistands wäre auf immer der Verlust aller Macht.«
Linden wandte sich nun wie in unversöhnlicher Konfrontation an Infelizitas. Ihr Grimm ließ all ihren alten Widerwillen gegen menschliches Unvermögen von neuem emporbrodeln. Sie vermochte es nicht zu ertragen, so nutzlos zu sein. Hinter ihr wiederholte Covenant ihren Namen, darum bemüht, sie auf sich aufmerksam zu machen, um sie zu warnen oder zur Zurückhaltung zu ermahnen. Aber sie hatte genug von allen Ausflüchten und Halbwahrheiten. Die leicht erregbare Gewaltsamkeit, die unter der Oberfläche von Elemesnedene lauerte, erfaßte und durchströmte sie: »Na gut!« schnauzte sie, als wolle sie Infelizitas dringend davon abhalten, weiter so nachsichtig zu sein, obwohl sie genau wußte, daß die Elohim ihr das Lebenslicht so leicht ausblasen konnten, wie man eine Kerze auspustete. »Lassen wir das! Ihr könnt also nichts gegen das Gift tun.« Ein höhnisches Lächeln verzog ihren Mund. »Ihr könnt Seeträumer nicht seine Stimme zurückgeben. Na schön, wenn ihr's sagt, wird's wohl so sein. Aber ich weiß etwas, was ihr, gottverdammt, sehr wohl tun könnt.«
»Auserwählte«, rief die Erste, um sie zur Vorsicht zu mahnen. Aber Linden ließ sich nicht beeindrucken.
»Ihr könnt für uns gegen den Verächter kämpfen.« Lindens Ansinnen verschlug den Riesen die Sprache. Covenant fluchte unterdrückt vor sich hin, als wäre ihm ein solches Anliegen nie in den Sinn gekommen. Doch ihre aufgewühlte Leidenschaft erlaubte es Linden nicht, an dieser Stelle aufzuhören. Infelizitas hatte sich nicht gerührt. Möglicherweise war nun auch sie aus der Fassung geraten. »Ihr sitzt hier in eurem Clachan «, sprach Linden weiter, indem sie ihre Worte wählte wie Beweisstücke einer Anklage, »und laßt die Zeit verstreichen, als könne nichts Böses und keine Gefahr auf der ganzen Welt eure geheiligte Selbstbetrachtung je behelligen, während ihr durchaus etwas tun könntet! Ihr seid Erdkraft! Ihr besteht aus Erdkraft. Ihr wärt dazu imstande, das Sonnenübel zu beheben, das Naturgesetz des Landes wiederherzustellen, Lord Foul zu schlagen, würdet ihr euch bloß der nötigen Anstrengung unterziehen! Schau dich doch an!« Linden meinte jetzt Infelizitas persönlich. »Du stehst da oben, damit du ganz bestimmt auf uns hinabblicken kannst. Und vielleicht hast du dazu sogar das Recht. Vielleicht ist verkörperte Erdkraft eine solche Macht, daß wir sozusagen ganz natürlich klein und unwichtig für dich sind. Aber wir versuchen wenigstens, etwas zu unternehmen!« Blankehans und Seeträumer waren gekränkt worden. Covenant hatte man erniedrigt. Man beging Verrat an der ganzen Suche. Linden schleuderte ihre Sätze Infelizitas wie Wurfspeere entgegen, darum bemüht, eine Schwachstelle in ihrer abweisenden Haltung oder wenigstens einen wunden Punkt ihres Gewissens zu treffen. »Foul ist darauf aus, das Land zu vernichten. Und wenn ihm das gelingt, wird er damit nicht etwa einen Schlußstrich ziehen. Er will die ganze Erde. Bis jetzt sind kleine, unwichtige Sterbliche wie wir seine einzigen Gegenspieler. Wenn schon aus keinem anderen Grund, solltet ihr zumindest, weil ihr euch sonst schämen müßt, zu dem Versuch bereit sein, die Verwirklichung seiner Pläne zu verhindern!«
Während ihr die Worte ausgingen, sie nicht allzu redegewandt, sondern eher beklommen verstummte, erhoben sich rund um den Hügel Stimmen, äußerten Rufe des Ärgers, der Betroffenheit und des Mißfallens. Chants Stimme ließ sich am durchdringendsten vernehmen. »Infelizitas, das ist untragbar!«
»Nein!« widersprach
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