Der einsame Baum - Covenant 05
hatte, ihre Stellungnahme erfahren. Ist sie es nicht? Welchen Schaden glaubten die Elohim abwenden zu können, wenn sie Covenant erniedrigten oder ihm irgend etwas antaten? Und weshalb waren sie diesbezüglich geteilter Meinung? Woraus bestand der Unterschied zwischen Daphin und Chant?
Aber Infelizitas wartete droben auf der Hügelkuppe. Ihre Glanzlichter ähnelten einem helldunklen Kokon, als könne sie jeden Moment daraus hervortreten und die Gäste des Elohim -Fests in äußerstes Staunen stürzen – eine Gestalt, die sich nicht ignorieren ließ. Entschieden richtete sie ihren Blick in Lindens Augen und wandte ihn nicht mehr ab. »Sonnenkundige.« Infelizitas sprach wie das Leuchten ihrer Gewandung. »Das Elohim -Fest hat begonnen. Was sich begeben hat, war ein Ausdruck unseres Wesens. Weise wäre es von dir gehandelt, es in deinem Herzen zu bewahren und es zu verstehen anzustreben. Doch ist es nun vorüber, und wir sehen uns den Zwecken gegenüber, die euch zu uns geführt haben. Komm!« Sie winkte anmutig. »Laß uns diese Dinge beraten!« Linden gehorchte, als wäre sie durch Infelizitas' Geste um ihren Willen gebracht worden. Allerdings bereitete es ihr unverzüglich Erleichterung, zu sehen, daß ihre Gefährten sie nicht im Stich zu lassen gedachten. Covenant trat an ihre Seite. Die Riesen strebten hinter ihr nach vorn. Gemeinsam suchten sie sich einen Weg durch die umstehenden Elohim und erklommen die Anhöhe. Unterhalb der Hügelkuppe blieben sie stehen. Infelizitas' Körpergröße und die zusätzliche Erhöhung durch ihren Standort bewirkten, daß sie sich mit Blankehans und Seeträumer in Augenhöhe befand; aber nach wie vor galt ihre Aufmerksamkeit in der Hauptsache Linden. Linden fühlte sich unter ihrem unheimlichen Blick völlig nackt; doch sie klammerte sich an ihre Entschlossenheit und bewahrte eine aufrechte Haltung. »Sonnenkundige«, begann Infelizitas erneut, »der Riese Grimme Blankehans hat gewißlich, was er an Kenntnissen von Elemesnedene bereits besitzt, mit dir geteilt. Daher weißt du, daß wir unsere Geschenke nicht ohne Gegenleistung gewähren. Vieles besitzen wir, das überaus gefährlich ist und nicht ohne Verstand vergeben werden darf. Und Wissen oder Macht, die nicht wahrhaft erworben werden, verschleißen sich rasch. Wenn sie sich nicht gar wider die Hände wenden, die sie halten, verlieren sie ihren Wert. Und zu guter Letzt haben wir wenig Grund, Eindringlinge aus den äußeren Gegenden der Welt zu schätzen. Hier brauchen wir niemanden. Deshalb ist's unsere Gewohnheit, für das, was man uns an Wünschen anträgt, einen Preis zu verlangen – und die Gabe zu verweigern, wenn der Bittsteller keinen Preis, der uns wohlgefällt, zu entrichten vermag. Du jedoch bist die Sonnenkundige, und die Dringlichkeit eurer Suche ist offen ersichtlich. Darum mag ich von dir und deinen Begleitern keine Gegenleistung fordern. Wenn das, dem euer Wunsch gilt, in unserer Macht steht, werden wir's gewähren, ohne euch dafür etwas abzuverlangen.«
Ohne euch ...? Linden starrte zu Infelizitas auf. In ihrem Bewußtsein schwoll das Schellen der Glöckchen an, brachte ihre Gedanken durcheinander. Alle Elohim, so konnte man meinen, konzentrierten sich auf sie und Infelizitas. »Du darfst sprechen.« Infelizitas' Tonfall zeugte nur ganz geringfügig von Ungeduld.
Innnerlich stöhnte Linden auf. Guter Gott! Sie drehte sich nach ihren Begleitern um, suchte nach irgendeiner Eingebung. Nun hätte sie wissen müssen, was sie sagen sollte, sie hätte darauf vorbereitet sein sollen. Aber sie war auf Drohungen gefaßt gewesen, nicht auf Geschenke. Infelizitas' Angebot und die Glöckchen verwirrten sie vollständig. Doch als sie den Eifer in Blankehans' Miene sah, stutzte Linden. Alle seine Zweifel waren hinfällig geworden. Sofort nahm sie die Gelegenheit wahr. »Ich bin hier fremd«, sagte sie so ruhig wie möglich, ohne Infelizitas anzuschauen. Sie brauchte ein wenig Zeit, um sich zu fassen. »Laß Blankehans zuerst sprechen!«
Sie spürte, wie Infelizitas' Blick, als gleite ein großes Gewicht von ihr, auf den Kapitän fiel. »So sprich, Grimme Blankehans!« sagte die Elohim in huldvollem Ton.
Neben Blankehans versteifte sich die Haltung der Ersten, als könne sie nicht recht glauben, daß der Kapitän sich keiner Gefahr aussetzte. Aber sie vermochte ihm das Nicken ihrer Einwilligung nicht zu verweigern. Pechnase beobachtete seinen Kapitän voller Erwartung. Seeträumers Blick war verschleiert, als trübe
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