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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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die Vorstellung, für eine befristete Zeit unterzutauchen. Es gibt einen Unterschied zwischen einer sang- und klanglosen Flucht und einem strategischen Rückzug, um sich neu zu formieren und die nächste Schlacht zu planen. Seattle mag ein Megaplex mit über drei Millionen Einwohnern sein, ist aber eine Kleinstadt, wenn man sich verstecken will. Mein Leben wäre sehr viel einfacher, wenn ich die gute alte Fliege machen und ein paar Wochen abwarten könnte - vielleicht im Sioux-Gebiet oder weiter südlich bis sich der Staub gelegt hat, um dann wieder zurückzukommen. Bewaffnet mit Informationen und Geldmitteln und vielleicht ein oder zwei fetten Kanonen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser klingt es in meinen Ohren.
    Und das bringt mich wieder auf die Geldmittel. Ich brauche welche, Priyatel, und mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Vielleicht würde ich es mit zweihundert Nuyen ins Salish-Shidhe-Territorium oder zu einer anderen Native Nation schaffen, die nicht so enge Verbindungen mit Seattle unterhält. Aber einmal dort angekommen, hätte ich null Geldmittel. Und man braucht Geld, um Geld zu machen, sogar in der Erwachten Welt des Jahres 2054 - vielleicht sogar ganz besonders im Jahre 2054. Fragen Sie mal die Elfen von Tarislar.
    Das ist also der Grund, warum ich an diesem kalten und regnerischen frühen Abend zur Verheißung zurückgehe. Dieser verdammte Taschensekretär. Die Helden im Trid - und wahrscheinlich auch in Finni-gans Büchern - scheinen sich nie Gedanken um Kohle zu machen, wenn sie sich von ihrem Konzern oder ihrer Regierung oder was auch immer lossagen. Sie scheinen sich immer ihre Kanonen und Granaten, ihre Muni und Kinkerlitzchen kaufen zu können - ganz zu schweigen von den Drinks für die Bräute und einem Zimmer im heißesten Hotel der Stadt -, ohne sich je Gedanken machen zu müssen, woher die nächsten Nuyen kommen sollen. Ich muß dagegen wieder zu meiner Absteige schleichen, um den Taschensekretär zu holen, damit ich ihn wieder verscherbeln kann -für die Hälfte dessen, was ich vor ein paar Stunden dafür bezahlt habe, darauf können Sie Ihren Arsch verwetten.
    Damit gehe ich natürlich ein Risiko ein, und letzten Endes hätte ich mir auch den kleinen Stunt mit der Relais-Schaltung sparen können. Wenn jemand Finnigans Nummer überwacht hat, ist dieser Jemand wahrscheinlich längst auf dem Weg nach Tarislar und zur Verheißung, und genau dorthin bin ich ebenfalls unterwegs. Zweifellos würden die Dinge einen ganz anderen Verlauf nehmen, wenn ich eine von Finnigans Romanfiguren wäre.
    Das einzig Gute ist, daß jedes Team, das nach mir sucht, damit rechnen wird, daß ich mich in der Absteige aufhalte, weil sich das Telefon dort befindet. Man wird kaum auf der Straße nach mir Ausschau halten, was bedeutet, ich sollte sie erkennen, bevor sie mich erkennen. Je nachdem, wer mich besuchen kommt, weiß ich dann etwas, das ich zuvor noch nicht wußte, vielleicht sogar etwas Wichtiges. (Das rede ich mir jedenfalls ein, um meiner Angst zu begegnen, je näher ich der Absteige komme.)
    Ich nähere mich vorsichtig und benutze alle Tricks, die ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe. Zum Beispiel komme ich nicht aus östlicher Richtung die Straße entlanggeschlendert, auf der sich Die Verheißung befindet, o nein. Statt dessen gehe ich einen Block weiter und nähere mich über die nächste Querstraße von Norden. An der Kreuzung angelangt, gehe ich einfach geradeaus weiter, als hätte ich ein ganz bestimmtes Ziel, während ich die Vorderseite des niedrigen Gebäudes eindringlich, aber verstohlen mustere.
    Kein Wagen vor dem Haus. So weit, so gut. Auf dem Bürgersteig hängen keine verdächtigen Gestalten herum. Noch besser.
    Jetzt kehre ich um und biege in die Straße ein, in der Die Verheißung liegt. Natürlich wiederum sehr vorsichtig gehe ich auf die andere Straßenseite. Es ist dunkel, und es brennt vielleicht jede zehnte Straßenlaterne, so daß es massenhaft Schatten gibt, insbesondere in Höhe der freien Plätze und verfallenen Häuser. Ich bin unterwegs und mitten in dem Spiel, von dem ich am meisten verstehe. Ich bin ein Geist in der Nacht.
    Ich bin jetzt fast gegenüber der Verheißung angelangt, als ich ihn sehe. Auf dem Bürgersteig sitzt ein abgerissener Gossenpunk, der sich mit dem Rücken an die Stahlbetonwand der Absteige gelehnt hat. Er sieht aus, als hätte man ihn rückwärts durch eine Hecke gezerrt, während er eine Schnapsbrennerei leerzutrinken versuchte. Ich habe ihn

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