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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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in London an.
    Bis zum fünften Klingeln ging keiner ran, dann musste Kopp auflegen, denn gleichzeitig mit dem ersten Klingelton überkam ihn ein mächtiger Harndrang. Er rannte zur Toilette.
    Aus dem Augenwinkel sah er, dass Herr Lasocka am Etagenempfang noch da war, aber bereits dabei, seinen Arbeitsbereich aufzuräumen. Er sieht mir mit Anerkennung und etwas Bedauern hinterher. Ich sehe aus wie ein schwer arbeitender Mann. Verschwitzt und zerzaust. Und schon wieder auf Socken. Was soll’s. Jeder hat seine Marotten. Kennt man Kopp halt als den, der immer auf Socken durch das Bürohaus unterwegs ist. (Stinken sie? Ich merke nichts.)
    Er wusch sich Hände und Gesicht mit nach Maiglöckchen riechender Flüssigseife. Er trocknete sich ab, in dem er sich mit den nassen Händen durchs Haar strich. Wasser lief ihm in den Kragen. Das war so angenehm, dass er - nach einem Blick nach hinten, zur Eingangstür, da, sieh an, abschließbar - nah dran war, das Hemd und das Unterhemd auszuziehen und sich den ganzen Oberkörper zu waschen. Er unterließ es. Der Spiegel ist übrigens getönt, zitiert eine polierte Goldfläche, in einer kleinen Vase links steht (heute) eine pinkfarbene Orchidee. Darius Kopp verstrich das Wasser sorgfältig im Nacken und sah sich dabei an. Ich bin ein fetter Mann, dennoch sehe ich irgendwie gut aus, besonders in diesem Spiegel.
     
    Zurück im Büro rief er nicht noch einmal an, sondern verfasste zwei Mails. Eine an Sandra mit cc Anthony: Bitte, mit
den besten Grüßen, in simple english, um Information bzgl. aktueller Lieferzeiten sowie Kontostand. Und eine zweite nur an Anthony: Bitte um Rückruf, wichtige Neuigkeiten im Armenien-case. Zögerte, ob er Bill bcc setzen sollte. Verzichtete. Ich gebe dir noch genau einen Tag, Anthony. Bzw. eine Nacht.
    Ein letzter Blick auf die E-Mails. Und die Werbung höret niemals auf. Once again Multipack is the preferred partner! Wir geben Ihnen die Freiheit, den richtigen Weg zu finden! Vielen Dank.
     
    Er dachte daran, eine Blume für Flora zu kaufen, eine rote Rose. Oder eine, die besonders wäre. Er ging extra zu Fuß, so war die Chance größer, unterwegs einen Blumenladen zu sehen. Wärst du lieber gleich ins Einkaufszentrum gegangen, vor deiner Nase, bzw. unter deinen Füßen, ins Souterrain, wo die Lebensmittel sind, da ist ein Blumenstand. Aber es fiel ihm nicht ein. Und natürlich ergab sich unterwegs keine einzige Gelegenheit, eine Blume zu kaufen. Kein Laden, kein Kiosk, kein Stand, kein fliegender Rosenverkäufer. Die Stadt kochte, nein, dazu braucht es Wasser, das hier war trocken, sie glühte also, überall Roste: in den Gehsteigen, um Baumstämme herum, an den Balkonen, an den Türen, an den Autos, Bauzäune, Fahrräder, Fahrradständer, Poller, Brückengeländer. Tische und Stühle aus Metall. Normalerweise fällt mir so etwas nicht so auf. Vermutlich hatte er Durst. Ja, er hatte Durst, und auch der gute Schlaf im Büro hatte ihn nicht in dem Maße erfrischt, wie er zunächst gedacht hatte. Vor allen Dingen wurden ihm schon wieder die Füße zu heiß. Der kilometerlange Marsch mit Stavridis hatte seine Spuren hinterlassen. Ich brauche wirklich neue Schuhe. Oder wenigstens neue Socken.
    Kurz und gut, der Weg zum Strand, dürstend in Hitze und nicht enden wollender Rushhour, war eine mittlere Tortur.
Schau, wie verschwitzt ich bin, Flora, sag nicht, ich hätte es leichter. Kurz vor Schluss, gerade, als er dachte, hätte ich mal die Orchidee vom Klo mitgenommen, exakt auf dem Nachbargrundstück des Strands, kam er doch noch zu seiner Rose. Links und rechts neben dem Eingang wuchsen dort zwei Kletterrosen. Kopp beschloss, sich nicht einmal umzusehen. Wenn du dich erst umsiehst, bist du verloren. Wenn mich einer fragt, sage ich mit meinem charmantesten Lächeln, ich brauche eine Blume für meine Frau, es ist sehr wichtig, ich habe gerade erfahren, dass sie schwanger ist. Wer könnte einem da noch an den Kragen gehen?
    Es ging ihm keiner an den Kragen, aber die Rose war widerspenstig und stach ihn. Er musste fluchen und an ihr zerren, sie riss nicht sauber ab, unten am Stiel blieb ein Stück Rinde hängen, und überhaupt war sie zu kurz, man sieht, dass ich sie irgendwo geklaut habe. Aber ist das nicht noch ein wenig charmanter?
     
    Flora war offenbar sehr sauer, denn sie kam nicht einmal in die Nähe seines Tisches. Kann sein, sie hatte die Rose gar nicht gesehen.
    Aber Melania kam.
    Grüß dich, sitzt du absichtlich nicht in Floras Bereich?
    Das

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