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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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habe ich mir tatsächlich vorgestellt.«
    »Und wie zum Teufel können wir dann zu unseren Frauen nach Hause gehen und Schweinebraten und Hering essen, Rollsülze und Schweinshaxen, und dann die Kerzen im Weihnachtsbaum anzünden und glücklich überrascht sein, wenn unsere Frauen sagen, sie erwarten ein Kind?«
    »Ja, ungefähr so ist es.«
    Carl seufzte und wandte sich ab, um nachzudenken. So etwas wie ein Instinkt sagte ihm, daß er selbst jetzt als kommandierender Offizier bestimmte Verpflichtungen hatte, die brutal und kurz ausgedrückt bedeuteten, daß er den untergebenen Major so schnell wie möglich in einen kampftauglichen Zustand versetzen mußte. Seine Vernunft sagte ihm, daß er dem anderen von seiner Angst erzählen mußte. Er folgte dem Instinkt.
    »Was wir da oben getan haben, war nicht leicht«, begann er und wandte sich ihm plötzlich zu. Er sah seinem Freund und untergebenen Major, was immer es jetzt war, direkt in die Augen. »Das war wahrscheinlich einer der teuflischsten, vermutlich der teuflischste Befehl, den schwedische Offiziere seit der Großmachtszeit im siebzehnten Jahrhundert erhalten haben. Das wissen wir, und wir haben ihn befolgt!«
    »Ja, das haben wir getan«, erwiderte Åke Stålhandske leise.
    Er erweckte den Eindruck, als wäre der größte Teil seiner ungeheuren Kraft aus ihm ausgelaufen. Carl überkam das absurde Gefühl, selbst gewachsen und größer geworden zu sein als der Zwei-Meter-Riese, der ihm gegenüberstand.
    »Die Präsidenten der USA, der Sowjetunion und Finnlands sowie die schwedische Regierung hatten sich auf diesen Befehl geeinigt, und zwar im vollen Bewußtsein seines Inhalts«, fuhr Carl fort.
    Åke Stålhandske antwortete nicht, sondern blickte Carl nur abwartend an, als wollte er die Fortsetzung hören.
    »Das schließt alle diese Vorwürfe aus, wie sie in Nürnberg erhoben wurden«, fuhr Carl angestrengt fort. »Wir hatten also keine schwarzen Uniformen an. Wir hätten ebensogut die blauen Baskenmützen der UNO tragen können. Was die Frage der Legitimität angeht, gibt es keine Probleme.«
    »Nein, zum Teufel, mit der Legitimität gibt es kein Problem«, erwiderte Åke Stålhandske mit einer sichtlich ironischen Grimasse.
    »Mit der Legitimität sieht es natürlich glänzend aus. Man hätte aus diesem Grund sogar An die Freude spielen können.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, das ist was von Beethoven, teuflisch schön.«
    »Ach so, hm, aha. Bleibt noch das Menschliche, und das haben sie uns überlassen.«
    »Und ob. Du verstehst dich teuflisch gut darauf, Theater zu spielen. Ich denke daran, du weißt schon, als erst Anna und dann Tessie… ja, als sie erzählten. Ich selbst hatte das Gefühl, als würde ich innerlich zerspringen. Du hast sie umarmt und bist dann in die Küche gegangen und hast Champagner geholt.«
    »Und was ist, wenn ich genauso empfunden habe wie du?«
    »Das hast du nicht getan. Du bist einfach losgegangen und hast Champagner geholt.«
    Carl fühlte sich unentschlossen, als versuchte die Vernunft verzweifelt, seine Intuition einzuholen, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Er sah sich um und entdeckte in einiger Entfernung zwei Tannenstümpfe. Er machte eine Handbewegung, worauf sie hingingen, den Schnee abkratzten und sich setzten.
    So blieben sie eine Weile sitzen, schwer nach vorn geneigt. Sie hatten die Gewehre automatisch so abgestellt, daß sie jederzeit schießen konnten.
    »Theater gehört zu unserem Leben, Åke. Es fällt uns verdammt leicht, zu lügen und uns zu verstellen, aber das ist unser Job«, begann Carl in dem Glauben, eine logische Linie gefunden zu haben.
    »Na ja«, erwiderte Åke Stålhandske schwer, »aber wer zum Teufel hat eigentlich gesagt, daß wir uns ausgerechnet vor den einzigen Menschen verstellen sollen, bei denen wir uns nicht verstellen dürften.«
    »Würdest du Anna lieber die Wahrheit erzählen? Das kann doch nicht dein Ernst sein?«
    »Doch, in gewisser Weise schon.«
    »Mit Motorsägen und einem großen Feuer?«
    »Nein, so natürlich nicht.«
    »Und was bleibt? Das Ganze ist ja sehr einfach. Ich liebe Tessie. Ich würde nie wollen, daß sie das sieht, was wir getan haben, etwas, was nur wenige Menschen fertigbringen und sich vorstellen können. Du liebst Anna. Ihr wollt Kinder haben. Ihr seid glücklich. Ihr habt da draußen irgendwo neben den Heimlichkeiten unseres Jobs ein Leben, wie es alle Menschen haben können. Babynahrung, Säuglingsscheiße, die nicht wie richtige Scheiße riecht,

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