Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
Vom Netzwerk:
eine sogenannte Zügellosigkeit, gefährden lassen. So erklärt der Staat bei der »Unterrichtsfreiheit« nur dies, daß ihm Jeder recht sei, der, wie es der Staat, oder faßlicher gesprochen, die Staatsgewalt haben will, unterrichtet. Auf dies »wie es der Staat haben will« kommt es für die Konkurrierenden an. Will z. B. die Geistlichkeit nicht, wie der Staat, so schließt sie sich selber von der Konkurrenz aus (s. Frankreich). Die Grenze, welche im Staate aller und jeder Konkurrenz notwendig gezogen wird, nennt man »die Überwachung und Oberaufsicht des Staates«. Indem der Staat die Unterrichtsfreiheit in die gebührenden Schranken weist, setzt er zugleich der Gedankenfreiheit ihr Ziel, weil nämlich die Leute in der Regel nicht weiter denken, als ihre Lehrer gedacht haben.
    Man höre den Minister Guizot: »Die große Schwierigkeit der heutigen Zeit ist die Leitung und Beherrschung des Geistes. Ehemals erfüllte die Kirche diese Mission, jetzt ist sie dazu nicht hinreichend. Die Universität ist es, von der dieser große Dienst erwartet werden muß, und sie wird nicht ermangeln, ihn zu leisten. Wir, die Regierung , haben die Pflicht, sie darin zu unterstützen. Die Charte will die Freiheit des Gedankens und die des Gewissens.« Zu Gunsten also der Gedanken- und Gewissensfreiheit fordert der Minister »die Leitung und Beherrschung des Geistes«.
    Der Katholizismus zog den Examinanden vor das Forum der Kirchlichkeit, der Protestantismus vor das der biblischen Christlichkeit. Es wäre nur wenig gebessert, wenn man ihn vor das der Vernunft zöge, wie z. B. Ruge will. Ob die Kirche, die Bibel oder die Vernunft (auf die sich übrigens schon Luther und Huß beriefen) die heilige Autorität ist, macht im Wesentlichen keinen Unterschied.
    Lösbar wird die »Frage unserer Zeit« noch nicht einmal dann, wenn man sie so stellt: Ist irgend ein Allgemeines berechtigt oder nur das Einzelne? Ist die Allgemeinheit (wie Staat, Gesetz, Sitte, Sittlichkeit usw.) berechtigt oder die Einzelheit? Lösbar wird sie erst, wenn man überhaupt nicht mehr nach einer »Berechtigung« fragt und keinen bloßen Kampf gegen »Privilegien« führt. – Eine »vernünftige« Lehrfreiheit, die »nur das Gewissen der Vernunft anerkennt«, bringt Uns nicht zum Ziele; Wir brauchen vielmehr eine egoistische , eine Lehrfreiheit für alle Eigenheit, worin Ich zu einem Vernehmbaren werde und mich ungehemmt kund geben kann. Daß Ich Mich » vernehmbar « mache, das allein ist »Vernunft«, sei Ich auch noch so unvernünftig; indem Ich Mich vernehmen lasse und so Mich selbst vernehme, genießen Andere sowohl als Ich selber Mich, und verzehren Mich zugleich.
    Was wäre denn gewonnen, wenn, wie früher das rechtgläubige, das loyale, das sittliche usw. Ich frei war, nun das vernünftige Ich frei würde? Wäre dies die Freiheit Meiner?
    Bin Ich als »vernünftiges Ich« frei, so ist das Vernünftige an Mir oder die Vernunft frei, und diese Freiheit der Vernunft oder Freiheit des Gedankens war von jeher das Ideal der christlichen Welt. Das Denken – und, wie gesagt, ist der Glaube auch Denken, wie das Denken Glaube ist – wollte man freimachen, die Denkenden, d. h. sowohl die Gläubigen als die Vernünftigen, sollten frei sein, für die Übrigen war Freiheit unmöglich. Die Freiheit der Denkenden aber ist die »Freiheit der Kinder Gottes« und zugleich die unbarmherzigste – Hierarchie oder Herrschaft des Gedankens: denn dem Gedanken erliege Ich . Sind die Gedanken frei, so bin Ich ihr Sklave, so habe Ich keine Gewalt über sie und werde von ihnen beherrscht. Ich aber will den Gedanken haben, will voller Gedanken sein, aber zugleich will Ich gedankenlos sein, und bewahre Mir statt der Gedankenfreiheit die Gedankenlosigkeit.
    Kommt es darauf an, sich zu verständigen und mitzuteilen, so kann Ich allerdings nur von den menschlichen Mitteln Gebrauch machen, die Mir, weil Ich zugleich Mensch bin, zu Gebote stehen. Und wirklich habe Ich nur als Mensch Gedanken, als Ich bin Ich zugleich gedankenlos. Wer einen Gedanken nicht los werden kann, der ist soweit nur Mensch, ist ein Knecht der Sprache , dieser Menschensatzung, dieses Schatzes von menschlichen Gedanken. Die Sprache oder »das Wort« tyrannisiert Uns am ärgsten, weil sie ein ganzes Heer von fixen Ideen gegen uns aufführt. Beobachte Dich einmal jetzt eben bei deinem Nachdenken, und Du wirst finden, wie Du nur dadurch weiter kommst, daß Du jeden Augenblick gedanken- und sprachlos wirst. Du bist nicht etwa

Weitere Kostenlose Bücher