Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
nicht sinnlich existiere. Allein zum Denken wie zum Empfinden, also zum Abstrakten wie zum Sinnlichen brauche Ich vor allen Dingen Mich , und zwar Mich, diesen ganz Bestimmten, Mich diesen Einzigen. Wäre Ich nicht dieser, z. B. Hegel, so schaute Ich die Welt nicht so an, wie Ich sie anschaue, Ich fände aus ihr nicht dasjenige philosophische System heraus, welches gerade Ich als Hegel finde usw. Ich hätte zwar Sinne wie die andern Leute auch, aber Ich benutzte sie nicht so, wie Ich es tue.
So wird von Feuerbach gegen Hegel der Vorwurf aufgebracht, daß er die Sprache mißbrauche, indem er anderes unter manchen Worten verstehe, als wofür das natürliche Bewußtsein sie nehme, und doch begeht auch er denselben Fehler, wenn er dem »Sinnlichen« einen so eminenten Sinn gibt, wie er nicht gebräuchlich ist. So heißt es S. 68-69: »das Sinnliche sei nicht das Profane, Gedankenlose, das auf platter Hand Liegende, das sich von selbst Verstehende«. Ist es aber das Heilige, das Gedankenvolle, das verborgen Liegende, das nur durch Vermittlung Verständliche – nun so ist es nicht mehr das, was man das Sinnliche nennt. Das Sinnliche ist nur dasjenige, was für die Sinne ist; was hingegen nur denjenigen genießbar ist, die mit mehr als den Sinnen genießen, die über den Sinnengenuß oder die Sinnenempfängnis hinausgehen, das ist höchstens durch die Sinne vermittelt oder zugeführt, d. h. die Sinne machen zur Erlangung desselben eine Bedingung aus, aber es ist nichts Sinnliches mehr. Das Sinnliche, was es auch sei, in Mich aufgenommen, wird ein Unsinnliches, welches indes wieder sinnliche Wirkungen haben kann, z. B. durch Aufregung meiner Affekte und meines Blutes.
Es ist schon gut, daß Feuerbach die Sinnlichkeit zu Ehren bringt, aber er weiß dabei nur den Materialismus seiner »neuen Philosophie« mit dem bisherigen Eigentum des Idealismus, der »absoluten Philosophie«, zu bekleiden. So wenig die Leute sich's einreden lassen, daß man vom »Geistigen« allein, ohne Brot, leben könne, so wenig werden sie ihm glauben, daß man als ein Sinnlicher schon alles sei, also geistig, gedankenvoll usw.
Durch das Sein wird gar nichts gerechtfertigt. Das Gedachte ist so gut als das Nicht-Gedachte, der Stein auf der Straße ist und meine Vorstellung von ihm ist auch. Beide sind nur in verschiedenen Räumen , jener im luftigen, dieser in meinem Kopfe, in Mir : denn Ich bin Raum wie die Straße.
Die Zünftigen oder Privilegierten dulden keine Gedankenfreiheit, d. h. keine Gedanken, die nicht von dem »Geber alles Guten« kommen, hieße dieser Geber Gott, Papst, Kirche oder wie sonst. Hat Jemand dergleichen illegitime Gedanken, so muß er sie seinem Beichtvater ins Ohr sagen und sich von ihm so lange kasteien lassen, bis den freien Gedanken die Sklavenpeitsche unerträglich wird. Auch auf andere Weise sorgt der Zunftgeist dafür, daß freie Gedanken gar nicht kommen, vor allem durch eine weise Erziehung. Wem die Grundsätze der Moral gehörig eingeprägt wurden, der wird von moralischen Gedanken niemals wieder frei, und Raub, Meineid, Übervorteilung u. dgl. bleiben ihm fixe Ideen, gegen die ihn keine Gedankenfreiheit schützt. Er hat seine Gedanken »von oben« und bleibt dabei.
Anders die Konzessionierten oder Patentierten. Jeder muß Gedanken haben und sich machen können, wie er will. Wenn er das Patent oder die Konzession einer Denkfähigkeit hat, so braucht er kein besonderes Privilegium. Da aber »alle Menschen vernünftig sind«, so steht jedem frei, irgendwelche Gedanken sich in den Kopf zu setzen, und je nach dem Patent seiner Naturbegabung einen größeren oder geringeren Gedankenreichtum zu haben. Nun hört man die Ermahnungen, daß man »alle Meinungen und Überzeugungen zu ehren habe«, daß »jede Überzeugung berechtigt sei«, daß man »gegen die Ansichten Anderer tolerant« sein müsse usw.
Aber »eure Gedanken sind nicht meine Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege«. Oder vielmehr das Umgekehrte will Ich sagen: Eure Gedanken sind meine Gedanken, mit denen Ich schalte, wie Ich will, und die ich unbarmherzig niederschlage: sie sind mein Eigentum, welches Ich, so Mir's beliebt, vernichte. Ich erwarte von Euch nicht erst die Berechtigung, um eure Gedanken zu zersetzen und zu verblasen. Mich schiert es nicht, daß Ihr diese Gedanken auch die eurigen nennt, sie bleiben gleichwohl die meinigen, und wie Ich mit ihnen verfahren will, ist meine Sache , keine Anmaßung. Es kann Mir gefallen, Euch bei euren
Weitere Kostenlose Bücher