Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
Mensch ist unsterblich, und nur, weil Ich Mensch bin, bin auch Ich's. In der Tat mußte das Christentum lehren, daß keiner verloren gehe, wie eben auch der Liberalismus Alle als Menschen gleichgestellt; aber jene Ewigkeit, wie diese Gleichheit, betraf nur den Menschen in Mir, nicht Mich. Nur als der Träger und Beherberger des Menschen sterbe Ich nicht, wie bekanntlich »der König nicht stirbt«. Ludwig stirbt, aber der König bleibt; Ich sterbe, aber mein Geist, der Mensch, bleibt. Um nun Mich ganz mit dem Menschen zu identifizieren, hat man die Forderung erfunden und gestellt: Ich müsse ein »wirkliches Gattungswesen« werden.
Die menschliche Religion ist nur die letzte Metamorphose der christlichen Religion. Denn Religion ist der Liberalismus darum, weil er mein Wesen von Mir trennt und über Mich stellt, weil er »den Menschen« in demselben Maße erhöht, wie irgend eine andere Religion ihren Gott oder Götzen, weil er das Meinige zu einem Jenseitigen, weil er überhaupt aus dem Meinigen, aus meinen Eigenschaften und meinem Eigentum, ein Fremdes, nämlich ein »Wesen« macht, kurz, weil er Mich unter den Menschen stellt und Mir dadurch einen »Beruf« schafft; aber auch der Form nach erklärt sich der Liberalismus als Religion, wenn er für dies höchste Wesen, den Menschen, einen Glaubenseifer fordert, »einen Glauben, der endlich auch einmal seinen Feuereifer beweisen wird, einen Eifer, der unüberwindlich sein wird.« Da der Liberalismus aber menschliche Religion ist, so verhält sich der Bekenner derselben gegen den Bekenner jeder anderen (katholischen, jüdischen usw.) tolerant , wie Friedrich der Große gegen Jeden sich verhielt, der seine Untertanenpflichten verrichtet, welcher Fasson des Seligwerdens er auch zugetan sein mochte. Diese Religion soll jetzt zur allgemein üblichen erhoben und von den andern als bloßen »Privatnarrheiten«, gegen die man übrigens sich wegen ihrer Unwesentlichkeit höchst liberal verhält, abgesondert werden.
Man kann sie die Staatsreligion , die Religion des »freien Staates« nennen, nicht in dem bisherigen Sinne, daß sie die vom Staate bevorzugte oder privilegierte sei, sondern als diejenige Religion, welche der »freie Staat« von jedem der Seinigen, er sei privatim Jude, Christ oder was sonst, zu fordern nicht nur berechtigt, sondern genötigt ist. Sie tut nämlich dem Staate dieselben Dienste, wie die Pietät der Familie. Soll die Familie von jedem der Ihrigen in ihrem Bestande anerkannt und erhalten werden, so muß ihm das Band des Blutes heilig, und sein Gefühl dafür das der Pietät, des Respektes gegen die Blutsbande, sein, wodurch ihm jeder Blutsverwandte zu einem Geheiligten wird. So auch muß jedem Gliede der Staatsgemeinde diese Gemeinde heilig, und der Begriff, welcher dem Staate der höchste ist, gleichfalls der höchste sein.
Welcher Begriff ist aber dem Staate der höchste? Doch wohl der, eine wirklich menschliche Gesellschaft zu sein, eine Gesellschaft, in welcher Jeder als Glied Aufnahme erhalten kann, der wirklich Mensch, d. h. nicht Unmensch , ist. Gehe die Toleranz eines Staates noch so weit, gegen einen Unmenschen und gegen das Unmenschliche hört sie auf. Und doch ist dieser »Unmensch« ein Mensch, doch ist das »Unmenschliche« selbst etwas Menschliches, ja nur einem Menschen, keinem Tiere, möglich, ist eben etwas »Menschenmögliches«. Obgleich aber jeder Unmensch ein Mensch ist, so schließt ihn doch der Staat aus, d. h. er sperrt ihn ein, oder verwandelt ihn aus einem Staatsgenossen in einen Gefängnisgenossen (Irrenhaus- oder Krankenhausgenossen nach dem Kommunismus) .
Mit dürren Worten zu sagen, was ein Unmensch sei, hält nicht eben schwer: es ist ein Mensch, welcher dem Begriffe Mensch nicht entspricht, wie das Unmenschliche ein Menschliches ist, welches dem Begriffe des Menschlichen nicht angemessen ist. Die Logik nennt dies ein »widersinniges Urteil«. Dürfte man wohl dies Urteil, daß einer Mensch sein könne, ohne Mensch zu sein, aussprechen, wenn man nicht die Hypothese gelten ließe, daß der Begriff des Menschen von der Existenz, das Wesen von der Erscheinung getrennt sein könne? Man sagt: der erscheint zwar als Mensch, ist aber kein Mensch.
Dies »widersinnige Urteil« haben die Menschen eine lange Reihe von Jahrhunderten hindurch gefällt! Ja, was noch mehr ist, in dieser langen Zeit gab es nur – Unmenschen . Welcher Einzelne hätte seinem Begriffe entsprochen? Das Christentum kennt nur Einen Menschen, und dieser
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