Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
gehören, brauchen nur Exemplare derselben Gattung zu sein. Was Ich als dieses Ich bin, das geht Dich als guten Liberalen nichts an, sondern ist allein meine Privatsache ; genug, daß Wir beide Kinder ein und derselben Mutter, nämlich der Menschengattung, sind: als »Menschenkind« bin Ich Deinesgleichen.
Was bin Ich Dir nun? Etwa dieses leibhaftige Ich , wie Ich gehe und stehe? Nichts weniger als das. Dieses leibhaftige Ich mit seinen Gedanken, Entschlüssen und Leidenschaften ist in deinen Augen eine »Privatsache«, welche Dich nichts angeht, ist eine »Sache für sich«. Als eine »Sache für Dich« existiert nur mein Begriff, mein Gattungsbegriff, nur der Mensch , der, wie er Hans heißt, eben so gut Peter oder Michel sein könnte. Du siehst in Mir nicht Mich, den Leibhaftigen, sondern ein Unwirkliches, den Spuk, d. h. einen Menschen .
Zu »Unsersgleichen« erklärten Wir im Laufe der christlichen Jahrhunderte die Verschiedensten, aber jedesmal nach Maß desjenigen Geistes , den Wir von ihnen erwarteten, z. B. Jeden, bei dem der Geist der Erlösungsbedürftigkeit sich voraussetzen läßt, dann später Jeden, der den Geist der Rechtschaffenheit hat, endlich Jeden, der menschlichen Geist und ein menschlich Antlitz zeigt. So variierte der Grundsatz der »Gleichheit«.
Indem man nun die Gleichheit als Gleichheit des menschlichen Geistes auffaßt, hat man allerdings eine alle Menschen einschließende Gleichheit entdeckt; denn wer könnte leugnen, daß Wir Menschen einen menschlichen, d. h. keinen andern Geist als einen menschlichen haben!
Aber sind Wir darum nun weiter als im Anfange des Christentums? Damals sollten Wir einen göttlichen Geist haben, jetzt einen menschlichen ; erschöpfte Uns aber der göttliche nicht, wie sollte der menschliche ganz das ausdrücken, was Wir sind? Feuerbach z. B. meint, wenn er das Göttliche vermenschliche, so habe er die Wahrheit gefunden. Nein, hat Uns der Gott gequält, so ist »der Mensch« im Stande, Uns noch marternder zu pressen. Daß Wir's kurz sagen: daß Wir Menschen sind, das ist das Geringste an Uns und hat nur Bedeutung, insofern es eine unserer Eigenschaften , d. h. unser Eigentum ist. Ich bin zwar unter anderm auch ein Mensch, wie Ich z. B. ein lebendiges Wesen, also animal oder Tier, oder ein Europäer, ein Berliner u. dergl. bin; aber wer Mich nur als Menschen oder als Berliner achten wollte, der zollte Mir eine Mir sehr gleichgültige Achtung. Und weshalb? Weil er nur eine meiner Eigenschaften achtet, nicht Mich .
Gerade so verhält sich's mit dem Geiste auch. Ein christlicher, ein rechtschaffener und ähnlicher Geist kann wohl meine erworbene Eigenschaft, d. h. mein Eigentum, sein, Ich aber bin nicht dieser Geist: er ist mein, Ich nicht sein.
Wir haben daher im Liberalismus nur die Fortsetzung der alten christlichen Geringachtung des Ich's, des leibhaftigen Hansen. Statt Mich zu nehmen, wie Ich bin, sieht man lediglich auf mein Eigentum, meine Eigenschaften und schließt mit Mir einen ehrlichen Bund, nur um meines – Besitztums willen; man heiratet gleichsam, was Ich habe, nicht was Ich bin. Der Christ hält sich an meinen Geist, der Liberale an meine Menschlichkeit.
Aber ist der Geist, den man nicht als das Eigentum des leibhaftigen Ich's, sondern als das eigentliche Ich selbst betrachtet, ein Gespenst, so ist auch der Mensch, der nicht als meine Eigenschaft, sondern als das eigentliche Ich anerkannt wird, nichts als ein Spuk, ein Gedanke, ein Begriff.
Darum dreht sich auch der Liberale in demselben Kreise wie der Christ herum. Weil der Geist des Menschentums, d. h. der Mensch, in Dir wohnt, bist Du ein Mensch, wie Du, wenn der Geist Christi in Dir wohnt, ein Christ bist; aber weil er nur als ein zweites, wenngleich als dein eigentliches oder »besseres« Ich, in Dir wohnt, so bleibt er Dir jenseitig, und Du mußt streben, ganz der Mensch zu werden. Ein ebenso fruchtloses Streben, als das des Christen, ganz seliger Geist zu werden!
Jetzt, nachdem der Liberalismus den Menschen proklamiert hat, kann man es aussprechen, daß damit nur die letzte Konsequenz des Christentums vollzogen wurde, und daß das Christentum in Wahrheit sich von Haus aus keine andere Aufgabe stellte, als »den Menschen«, den »wahren Menschen« zu realisieren. Daher denn die Täuschung, es lege das Christentum dem Ich einen unendlichen Wert bei, wie z. B. in der Unsterblichkeitslehre, in der Seelsorge usw. an den Tag kommt. Nein, diesen Wert erteilt es allein dem Menschen . Nur der
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