Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
vernichte sie und bilde an ihrer Stelle den Verein von Egoisten .
Also es verrät der Staat seine Feindschaft gegen Mich dadurch, daß er fordert, Ich soll Mensch sein, was voraussetzt, daß Ich es auch nicht sein und ihm für einen »Unmenschen« gelten könne: er legt Mir das Menschsein als eine Pflicht auf. Ferner verlangt er, daß Ich nichts tue, wobei er nicht bestehen könne; sein Bestand also soll Mir heilig sein. Dann soll Ich kein Egoist, sondern ein »honetter, rechtschaffener«, d. h. sittlicher Mensch sein. Genug, Ich soll gegen ihn und seinen Bestand ohnmächtig und respektvoll sein usw.
Dieser Staat, allerdings nicht ein gegenwärtiger, sondern des Erschaffens erst noch bedürftig, ist das Ideal des fortschreitenden Liberalismus. Es soll eine wahrhafte »Menschengesellschaft« entstehen, worin jeder »Mensch« Platz findet. Der Liberalismus will »den Menschen« realisieren, d. h. ihm eine Welt schaffen, und dies wäre die menschliche Welt oder die allgemeine (kommunistische) Menschengesellschaft. Man sagte: »Die Kirche konnte nur den Geist, der Staat soll den ganzen Menschen berücksichtigen.« Aber ist »der Mensch« nicht »Geist«? Der Kern des Staates ist eben »der Mensch«, diese Unwirklichkeit, und er selber ist nur »Menschengesellschaft«. Die Welt, welche der Gläubige (gläubige Geist) schafft, heißt Kirche, die Welt, welche der Mensch (menschliche oder humane Geist) schafft, heißt Staat. Das ist aber nicht meine Welt. Ich verrichte nie in abstracto Menschliches , sondern immer Eigenes , d. h. meine menschliche Tat ist von jeder andern menschlichen verschieden und ist nur durch diese Verschiedenheit eine wirkliche, Mir zugehörige Tat. Das Menschliche an ihr ist eine Abstraktion und als solches Geist, d. h. abstrahiertes Wesen.
Br. Bauer spricht es z. B. Judenfrage S. 84 aus, daß die Wahrheit der Kritik die letzte, und zwar die vom Christentum selber gesuchte Wahrheit sei, nämlich »der Mensch«. Er sagt: »die Geschichte der christlichen Welt ist die Geschichte des höchsten Wahrheitskampfes, denn in ihr – und nur in ihr! – handelt es sich um die Entdeckung der letzten oder der ersten Wahrheit – des Menschen und der Freiheit.«
Wohlan, lassen Wir Uns diesen Gewinn gefallen, und nehmen Wir den Menschen für das endlich gefundene Resultat der christlichen Geschichte und überhaupt des religiösen oder idealen Strebens der Menschen. Wer ist nun der Mensch? Ich bin es! Der Mensch, das Ende und Ergebnis des Christentums, ist als Ich der Anfang und das auszunutzende Material der neuen Geschichte, einer Geschichte des Genusses nach der Geschichte der Aufopferungen, einer Geschichte nicht des Menschen oder der Menschheit, sondern – Meiner . Der Mensch gilt als das Allgemeine. Nun denn, Ich und das Egoistische ist das wirklich Allgemeine, da Jeder ein Egoist ist und sich über alles geht. Das Jüdische ist nicht das rein Egoistische, weil der Jude sich noch an Jehova hingibt, das Christliche ist es nicht, weil der Christ von der Gnade Gottes lebt und sich ihm unterwirft. Es befriedigt als Jude wie als Christ ein Mensch nur gewisse seiner Bedürfnisse, nur eine gewisse Notdurft, nicht sich : ein halber Egoismus, weil der Egoismus eines halben Menschen, der halb er, halb Jude, oder halb sein Eigentümer, halb ein Sklave ist. Darum schließen Jude und Christ sich auch zur Hälfte immer aus, d. h. als Menschen erkennen sie sich an, als Sklaven schließen sie sich aus, weil sie zweier verschiedener Herren Diener sind. Könnten sie vollkommene Egoisten sein, so schlössen sie sich ganz aus und hielten umso fester zusammen. Nicht daß sie sich ausschließen, ist ihre Schmach, sondern daß dies nur halb geschieht. Dagegen meint Br. Bauer, als »Menschen« können sich Juden und Christen erst betrachten und gegenseitig behandeln, wenn sie das besondere Wesen, welches sie trennt und zu ewiger Absonderung verpflichtet, aufgeben, das allgemeine Wesen »des Menschen« anerkennen und als ihr »wahres Wesen« betrachten.
Nach seiner Darstellung liegt der Fehler der Juden wie der Christen darin, daß sie etwas »Apartes« sein und haben wollen, statt nur Menschen zu sein und Menschliches zu erstreben, nämlich die »allgemeinen Menschenrechte«. Er meint, ihr Grundirrtum bestehe in dem Glauben, sie seien »privilegiert«, besäßen »Vorrechte«, überhaupt in dem Glauben an das Vorrecht . Dagegen hält er ihnen das allgemeine Menschenrecht vor. Das Menschenrecht! –
Der Mensch ist der Mensch
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