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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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der Friedrich geradezu auf die Hacken treten. Aber es jibt eben allens in Berlin …«
    Wer kann sagen, was alles dem alten Hackendahl beim Anblick der beiden jungen Liebesleute durch Herz und Hirn zog? Er war ja auch einmal jung gewesen und sah, daß dies noch Kinderliebe war, etwas Leichtes, Fröhliches …
    Aber da hatte nun Piepgras das Wort gesagt von den Nutten, die sich auf der Friedrich die Hacken abtreten, und in demselben Augenblick war ihm wohl die Tochter eingefallen, die heimlich in ein wirklich recht übel beleumdetes Café schlich, und der Sohn, der heute morgen nach gemeinemParfüm gerochen hatte. Mit einem Satz sprang er zu der Droschke, riß den Schläfer bei der Schulter und rief zornig: »Wachen Sie auf! Machen Sie, daß Sie von meinem Hof runterkommen, Sie Kerl, Sie!«
    Noch eher aber als der junge Mann wurde das junge Mädchen wach. Sie fuhr hoch und sah auf den fremden Hof und in all die fremden Männergesichter, die auf sie gerichtet waren, die alle erschrocken und böse und finster aussahen. Daß diese Finsterkeit nicht ihr, sondern dem Ausbruch des eisernen Gustav galt, das wußte sie ja nicht.
    Sie faßte ihren Freund bei der Hand, zog ihn hoch vom Sitz und rief: »O komm bloß, Erich, was ist nur?« Und schon lief sie, ihre langen Röcke raffend, über den Hof dem Tor zu, ihren Erich mit sich ziehend.
    Den alten Hackendahl aber hatte der Name Erich ganz rasend gemacht, er lief neben den beiden her und beschimpfte sie weiter. Auf der anderen Seite aber lief der Droschkenkutscher Piepgras, der ein solches Ende seines Scherzes nie erwartet hatte, und flehte und drohte: »Herr Hackendahl, was machen Sie bloß?! Der Herr hat doch noch nicht bezahlt! Wollen Sie wohl stehenbleiben, Herr, und mir meine Taxe zahlen?!«
    Aber das junge Mädchen und der junge Mann liefen immer schneller, sie liefen von den bösen Gesichtern der Welt fort, in den blauen, frischen Junimorgen hinein …
    Zuerst blieb der alte Hackendahl stehen. Er stand unter dem steinernen Torpfosten mit der goldenen Kugel darauf, trocknete sich das Gesicht ab und sah wie erwachend in all die Gesichter. Die Gesichter wandten sich aber alle verlegen von ihm fort, ein jeder machte sich rasch an seine wirkliche oder an eine Scheinarbeit. Stumm ging der eiserne Gustav über den Hof, rief im Vorbeigehen nur halblaut: »Mach du fertig, Otto!« und verschwand im Haus.
    Sofort war der Hof ein Wirbel von Getuschel und Geflüster, und am dicksten standen sie um den jetzt schnaufend zurückgekehrten Piepgras: Er hatte die jungen Leute nicht mehr erwischt, die Liebe war in dieser Nacht taxfrei gefahren.

11

    Um sieben Uhr auf den Schlag wurde im Hause Hackendahl Kaffee getrunken, und dem eisernen Gustav mochte zumute sein, wie ihm wollte, er stand Schlag sieben gerade aufgerichtet am Kopfende des Tisches und ließ den Heinz das Morgengebet sprechen. Dann gab es ein allgemeines Stuhl-und Füßegescharre, und nun kellte die Mutter die Mehlsuppe auf.
    Schweigend kratzten die Löffel auf den Tellern, schweigend sah bald der, bald jener Erichs leeren Stuhl an. Manchmal nur seufzte die Mutter, des hungrigen Sohnes im Keller gedenkend, sagte »Ach ja« und »O Gott, o Gott«, aber keiner antwortete, bis sie endlich klagte: »Heute ißt mal wieder kein einziger! Was das nur ist mit euch! Iß du wenigstens was, Bubi, du hast doch keine Ursache zu hungern!«
    Der Bengel schoß einen wachsamen Blick auf den Vater und sagte dann abgrundtief mit seiner mutierenden Stimme: »Plenus venter non studet libenter – ein voller Bauch studiert nicht gern. Im Interesse meines lateinischen Exerzitiums geziemt sich Zurückhaltung in der Vertilgung von gekochtem Mehl …«
    »O Gott!« seufzte die Mutter. »Dafür läßt man nun seine Kinder studieren, daß man kein Wort mehr von ihnen versteht und daß sie …«
    Sie sprach nicht weiter, ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, jeder sah, daß sie an den Sohn im Keller dachte, der ausstudiert hatte.
    »Halte den Mund!« knurrte der Vater zu Heinz hinüber.
    »Zu Befehl, pater patriae!« Und nicht umzubringen: »Soll ich einen Entschuldigungszettel für Erich in die Penne mitnehmen?«
    Der Vater funkelte den Sohn zornig an, die anderen duckten die Köpfe – aber das Gewitter zog ohne Einschlag vorüber: Hackendahl stieß nur seinen Stuhl zurück und ging auf sein Zimmer.
    Eine halbe Stunde später war Heinz zur Schule gegangen und Sophie ins Krankenhaus. In der Wohnung räumte Eva mit dem kleinen Dienstmädchen

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