Der eiserne Gustav
hält, auch Herr Direktor Schulze erhebt sich und hält eine Ansprache, die klingt, als hätte er sie von derselben Firma bezogen wie der Bürgermeister der Stadt Berlin. Und nun erhebt sich der eiserne Gustav – er bringt seinen Trinkspruch aus: »Berlin – Paris – Berlin. Jedacht! Jemacht! Ausjeführt und heute vollbracht!«
Jubel und Beifall.
Weitere Trinksprüche, festliches Hin und Her, Händeschütteln und nicht nur das. Es findet sich auch eine Gelegenheit, dem alten Hackendahl einen Briefumschlag in die Tasche zu stecken. Viel Sorgen braucht er sich um sein Auskommen wirklich nicht mehr zu machen, der alte Mann …
Und allmählich wird es Abend, Nacht. Mutter drängt zum Aufbruch. Ihr ist Angst um die Wohnung mit den vielen schönen Sachen darin. Noch gibt es Streit, sie wollen ihn durchaus im Auto nach Haus fahren, jemand wird den Grasmus schon nachbringen.
Aber er will nicht. Mit all der alten eisernen Starrköpfigkeit weigert er sich, im Auto zu fahren. Mutter – schön, die kann vorausfahren, aber er fährt mit der Droschke …
,.Mutter, hab dir bloß nich so! Bin ick von Paris heil rüberjekommen, wer ick woll noch det Stückchen Weg bis in die Wexstraße schaffen …«
Natürlich setzt er seinen Willen durch. Er sieht sie abfahren, dann geht er zur Droschke, zu Grasmus. Ein paar Setzer helfen ihm, die Girlanden, die Fähnchen, die Tafel, die Geschenke abzunehmen und in einem Winkel zu verstauen …
»Den Schraps hol ick mir’n andermal. Ick möchte jetzt mal wieder janz inkognito durch Berlin zuckeln. Wie’n richtiger Droschkenkutscher. Ick hab die Leute dicke …«
So fährt er denn los. Erst sieht er vorsichtig auf die Menschen: ob sie ihn nicht doch erkennen? Aber es ist Nacht geworden, und die Menschen haben es eilig, sie sehen kaum hin nach der Pferdedroschke, die da langsam die Straße entlangzuckelt.
So recht behaglich sitzt der eiserne Gustav auf seinem Bock. Ist das mal schön, wieder als richtiger Droschkenkutscher durch Berlin zu fahren! Klick-klick macht die Taxuhr, es klingt so heimatlich! Es war ganz gut, daß er das mit Paris gemacht hat, aber am allerschönsten ist es doch, jetzt wieder die Straßen entlangzufahren, die alten, hundertmal befahrenen Straßen …
Ein Schupo, der von Berufs wegen bessere Augen habenmuß als die gewöhnlichen Einwohner der Stadt, erkennt den Droschkenkutscher, und eingedenk der Ehrungen des Vormittags grüßt er ihn stramm und militärisch.
»Mensch!« ruft Hackendahl. »Von wann biste denn? Det is doch lange vorbei! Wülste det etwa nu alle Tage machen, wenn ick uff Fuhre jehe? Die Verzierung stoß dir lieber rechtzeitig ab!«
Und vergnügt fährt er weiter. Wenn die denken, er gibt jetzt das Fahren auf, jetzt, wo er ein bißchen Geld hat, kein Gedanke! Fahren ist das Schönste von der Welt, in Berlin fahren, heißt das, als richtiger Droschkenkutscher, heißt das.
Nun, als er weiterfährt, hat er bloß noch einen Wunsch – und kaum denkt er so recht an ihn, geht er auch schon in Erfüllung.
»Männecken, Kutscher, he! Helfen Se mir doch mal den Korb in de Droschke! Zum Zoo! Ick wollte ja mit der Elektrischen, aber die Brüder sagen, der Korb is zu jroß. Machen Se’s aber nich zu teuer, Kutscher!«
»Nee, nee, det soll Sie kein Rittergut kosten. Na, denn man los, Jrasmus!«
Und glücklich fährt er weiter, dem Zoo zu. Sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Berlin hat ihm Handgeld gegeben, es wird auch weiter gutgehen.
Manchmal dreht er sich um und schielt nach seinem Fahrgast, ob der gar nicht merkt, mit welch berühmtem Mann er fährt. Aber der Fahrgast, ein kleines, etwas kümmerliches Männchen, viel zu klein und viel zu kümmerlich für den schweren Reisekorb, läßt sich nichts merken. Trübselig starrt er vor sich hin, wahrscheinlich denkt er darüber nach, wie teuer eine Droschke ist, und wie billig die Elektrische gekommen wäre. Na, der wird Augen machen!
Wer aber Augen macht, ist der alte Hackendahl.
Denn als er am Bahnhof Zoo dem Männchen den Korb aus der Droschke heben hilft und dabei stolz-vergnügt fragt: »Na, wissen Se ooch, mit wem Se jefahren sind? Mit dem eisernenJustav sind Sie jefahren, wissen Se, der die berühmte Tour Berlin – Paris – Berlin jemacht hat!«
Da sagt das Männecken: »Reden Se bloß nich. Mann, wat jeht mir det an? Fassen Sie lieber meinen Korb an. Ick muß noch den Zug nach Meseritz kriegen. Paris – wenn ick bloß so wat höre! Bleibe im Lande und nähre dir redlich! Eine Mark
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