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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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nichts aufbewahren.«
    »Das Gewicht ist hohl, man kann es aufschrauben.«
    »Aber …« Sie versteht es noch immer nicht. »Aber warum zerbricht er dann die Lampe?«
    »Ich muß mit den Pferden noch in die Schmiede«, sagt Otto. »Es ist sicher, Erich hat Evas Geld genommen, und dabei ist ihm die Lampe runtergesaust und zerbrochen.«
    »Ich gebe es Eva wieder!« ruft die Mutter. »Was kann Eva viel gehabt haben? Ein paar Schmugroschen vom Haushaltsgeld! Sie soll bloß kein Geschrei machen, sag ihr das gleich, Ottchen.«
    »Ich muß jetzt mit den Pferden in die Schmiede, Mutter«, antwortet Otto. »Und Eva hat über zweihundert Mark gehabt, hat Bubi erzählt …«
    Damit geht Otto und läßt die Mutter in neuer Sorge zurück.

15

    Eva hatte es nicht eilig gehabt mit ihrem Matjeskauf, sie war durch den schönen Junivormittag gebummelt, am Schloß vorbei, wo die Leute schon wieder in dicken Klumpen standen, auf den Kaiser wartend …
    »Doof sind die!« entschied Eva. »Es weht ja keine Kaiserstandarte vom Schloß. Seine Majestät ist doch auf Nordlandfahrt – die werden sich schön die Beine in den Bauch stehen!«
    Dann war sie über die Linden gegangen, war in die Friedrichstraße eingebogen und, langsam immer weiter bummelnd, war sie bis zum Warenhaus von Wertheim gekommen.
    Eva hatte nur ihre eine Mark bei sich, sie hatte nicht die Absicht, etwas bei Wertheim zu kaufen. Aber sie ging und sah, sah und ging. Ihre Augen leuchteten: Dieser Anblick von Seide und Samt, diese Überfülle, dieser quellende Reichtum berauschten sie. Treppauf und treppab lief sie, wie sie ihr Einfall führte. Am Ende war es gleich, ob sie Kleider oder Porzellan, ob Thermosflaschen oder Hüte ansah. Nicht das einzelne berauschte sie, sondern die Fülle, Prunk und Reichtum – siebenhundert Bilder, Hunderte von Servicen …!
    Schließlich hatte sie sich in stillere Bezirke verloren, weniger Menschen waren um sie, das Licht schien gedämpfter. Sie war in der Schmuckwarenabteilung. In den Vitrinen glänzte es matt und heller, sie beugte sich über die Kästen, sie atmete rascher. Sanfter Schein von Gold, blaues und grünliches Blitzen von Brillanten – sie schossen ihre kleinen Strahlenbündel direkt in sie hinein –, oh, so etwas einmal zu besitzen! Uhren über Uhren, aus Gold, so zierlich, so klein! Ganz schmale Ringe, aber mit einem Stein, größer als eine Erbse! Silbertabletts, mit aufgelegten Ranken, man sah förmlich, wie schwer sie waren – und sie konnte mit all ihrer Schlauheit an den Matjesheringen höchstens zwanzig Pfennig Schmu machen!
    Sie seufzte schwer.
    »Na, Frollein«, sagte eine recht freche Stimme neben ihr. »Janz hübsche Schosen, wat?«
    Sie sah hoch, mit all der Abwehrlust, die in jedem Großstadtmädchen bei jeder überraschenden männlichen Anrede wach wird. Aber gleich wurde sie unsicher. Der junge Mann mit dem schwarzen Bärtchen, der da neben ihr an der Vitrine stand, konnte auch ein Verkäufer sein. Er trug weder Kreissäge noch Panama, und 1914 trugen die Männer alle einen Hut auf dem Kopf, oder doch wenigstens in der Hand.
    »Ich kaufe nichts«, sagte sie für alle Fälle abweisend.
    »Wat macht denn det?« fragte der Jüngling wieder mit seiner frechen Stimme, bei der es sie wie Abwehr und doch nicht unangenehm überlief. »Ansehen kostet nischt und macht Vajniejen. Aber, Frollein«, sagte er überredend, »nu stellen Se sich mal vor, ick bin der dicke Wertheim – sicher isser dick! –, un Sie sind mein Frollein Braut. Un ick sare zu Ihnen: ›Such dir mal aus, mein Schatz, wat dein Herz bejehrt.‹ Wat würd’ste dir denn da aussuchen, Mächen?«
    »Sie sind ja komisch«, sagte Eva. »Was fällt Ihnen denn ein, mich so einfach zu duzen?«
    »Aba, Frollein – ick habe Ihnen doch jesacht, ick bin der dicke Wertheim, un Sie sind meine Braut – zu seine Braut sacht man doch du …«
    »Sie haben wohl Quasselwasser getrunken, daß Sie auf nüchternen Magen soviel reden?! Wieso sind Sie denn so aufgeregt?«
    »Icke aufgeregt? Nich de Bohne! De Aufrejung kommt noch, aba bei de andern! – Also, Frollein, wie is et mit ’nem kleinen Brillantschmuck, vorne lang mit ’ne Bommel un hinten mit ’ne Schließe aus Brillanten?«
    »Das ist doch bloß was für ’ne Olle«, sagte Eva amüsiert, obwohl sie fühlte, daß mit dem jungen Mann nicht alles in Ordnung war. »Nein, wenn ich was möchte, dann möcht ich so’nen Brillantring, dort im Kasten sind sie …«
    Sie ging weiter, an einem Verkäufer vorbei, der

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