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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Kleene … Evchen …«
    Sie zittert wieder.
    »Kuck bloß nich so ängstlich. Vor mir brauchste doch keene Angst haben, ick bin der jutmütigste Kerl von janz Berlin, ein wahrer Trottel bin ick – wenn de tust, wat ick dir sage. Also heute abend um neune biste an der Ecke von der Großen und Kleenen Frankfurter Straße. Vastehste?«
    Sie nickt, aber als sie eine Bewegung bei ihm sieht, sagt sie rasch: »Ja – Eugen.«
    »Die blanken Dingerchen, du weeßt schon, die brauchste nich extra mitzunehmen, weil de se nämlich schon mit hast … So doof mußte nich noch mal sind, ’nem ausjekochten Jungen zu erzählen, se sind im Jewicht von der Hängelampe, wo ick die janze Zeit det Band in deinem Ausschnitt sehe …«
    Wieder erblaßt sie.
    »Aber ick bin nich so, die Sore nehm ick dir ab, wat willste ooch damit? Tragen kannste die Dinger doch nich, und dufällst bloß rein damit. Aber ick jeb dir mal wat anderes, wat de tragen kannst, ooch schöne Sachen – ick hab es ja dazu …
    Und überhaupt, Mächen«, und jetzt drückt er ihren Arm, aber zärtlich, »det wird ’ne janz prima Sache mit uns beiden, da mußte dir nich vor ängsten, wir werden noch manche jute Stunde miteinander haben.«
    Er lacht kurz, ihr Arm liegt jetzt still in seiner umspannenden Hand. »Nur eins: Parieren mußte, da hilft dir nischt – un wenn ick oben uff de Siejessäule sage: Spring!, denn springste, sonst kenn ick mir nich vor Wut.«
    Er läßt sie plötzlich los, sieht sie prüfend an. »Haste Angst, wie, wat?«
    Sie nickt langsam, Tränen in den Augen.
    »Det jibt sich, Evchen«, sagt er, oberflächlich tröstend. »Zuerst hat jede Angst jehabt, aber det jibt sich. Un mach mir keene Dummheiten mit Rennen uff de Polizei – da schlag ick dir langsam tot, heute oder in zehn Jahren.«
    Er lacht kurz, nickt noch einmal und befiehlt dann: »Marsch, nach Haus!«
    Ehe sie sich noch besinnen kann, ist er fort.

4

    In einem Zimmer im ersten Stock eines Hauses an der Jägerstraße geht ein schwerer, schwärzlicher Mann in Hemd und Hose auf und ab. Er geht auf und ab, er pfeift dabei die Marseillaise, seine Füße in ledernen Hausschuhen gehen sachte über den mit Linoleum belegten Boden.
    Ab und zu tritt der Mann ans Fenster und sieht auf die Jägerstraße hinunter, die auch etwas von dem Trubel abbekommen hat, der an diesem ersten Mobilmachungsnachmittag Unter den Linden herrscht. Dann schüttelt der Mann den Kopf, er pfeift leiser, aber er marschiert weiter.
    Nun fliegt draußen die Etagentür auf. Rumm! Rumm! schlägt sie zu, eilige Schritte kommen, die Tür wird mit einemRuck geöffnet, und in ihrem Rahmen steht rasch atmend, mit geröteten Wangen Erich Hackendahl.
    Der schwere dunkle Mann sieht den jungen Menschen ernst an. »Nun …?« fragt er.
    Erich ruft nur: »Mobil!«
    Der Mann sieht ihn weiter unverwandt an, er nimmt dabei die Weste vom Stuhl und fängt an, sie überzuziehen. »Das war zu erwarten«, sagt er schließlich langsam. »Aber mobil heißt noch nicht Krieg!«
    »Ach, Herr Doktor!« ruft Erich noch immer ganz atemlos. »Die Menschen sind ja so begeistert! Sie haben gesungen: ›Nun danket alle Gott‹. Ich habe auch mitgesungen, Herr Doktor.«
    »Warum sollen sie nicht begeistert sein?« fragt der Doktor und fährt in die Jacke. »Es ist doch etwas Neues! – Und dann hat wahrscheinlich ihr strahlender Kaiser wieder einmal geredet, von schimmernder Wehr, von Feinden in aller Welt …«
    »Nichts! Nichts! Nichts von alledem!« ruft der Junge. »Ganz falsch, Herr Doktor! Ein Schutzmann ist aus dem Portal gekommen, ein ganz einfacher Blauer, und hat die Mobilmachung bekanntgemacht. Es war herrlich!«
    »Er ist ein großer Theatermann, euer Heldenkaiser«, sagt der schwere Mann ungerührt. »Jetzt macht er es also mit der altpreußischen Schlichtheit – er hat Friedrich den Einzigen kopiert. Aber, Junge, Erich, merkst du denn nicht, daß du ihm auf den Leim gehst – du kennst doch seine leidenschaftliche Liebe für Prunk und Trara! Und plötzlich ein einfacher Schutzmann – das ist doch alles Mache!«
    »Es war aber keine Mache, als wir den Choral sangen«, antwortete der Junge, fast trotzig.
    »Und hast du dir denn nicht die Leute angesehen, die da sangen? Das war doch nicht das Volk, mein Sohn, nicht der Arbeiter, der die Werte schafft. Das waren dicke Bürger, und wenn die ihrem Gott für die Mobilmachung danken, so danken sie ihm für das große Geschäft, das sie wittern. Das ganz große Geschäft, Kriegsgewinne aus der

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