Der eiserne Gustav
willst in einen Krieg ziehen, der die bestehende schlechte Ordnung verteidigt. Denn du willst doch mit, nicht wahr? Kriegsfreiwilliger – ja?«
Erich nickte trotzig. »Ich muß«, sagte er. »Ich fühle, das Volk will diesen Krieg, nicht ich allein!«
»So?« fragte der Abgeordnete spöttisch. »Wollen wir jetzt schon einen Krieg? Ich dachte, wir verteidigen uns. Nun, wir Sozialdemokraten jedenfalls wollen ihn nicht, wir werden gegen Regierung und Kriegskredite stimmen. So werden die Arbeiter in aller Welt tun – und es wird aus sein mit euerm Krieg!«
Er schnippte mit den Fingern.
»Es wird nicht aus sein mit dem Krieg – und ihr werdet auch für den Krieg stimmen!« rief Erich. »Sie haben ja das Volk noch gar nicht gesehen, Sie sitzen auf den Büros, auf Fraktionsversammlungen, aber das Volk, das Volk …«
»Natürlich«, sagte der Mann, »nun erzähle mir noch, daß ich das Volk nicht kenne. – Aber, Erich, wir wollen uns doch nicht im Streit trennen. Du wirst jetzt nach Haus gehen, Erich. Hier«, er schloß den Schreibtisch auf, »sind die vierhundertachtzig Mark, die du mitgebracht hattest – gib sie deiner Schwester zurück. – Es ist gleichgültig«, rief er ungeduldig, »ob das Geld deiner Schwester rechtmäßig gehört oder nicht, du sollst unbelastet von uns heimkehren – dorthin. Und hier hast du achtzig Mark für deinen Vater – du kannst sie unbesorgtnehmen, es ist ungefähr das, was ich als dein Gehalt gedacht hatte, du hast sie redlich verdient.« Leiser: »Ich habe mich immer gefreut, wenn ich dich hier sah …«
»Sie sind sehr gut zu mir, Herr Doktor«, sagte Erich wieder.
»Nein, ich bin nicht gut zu dir. Ich dürfte dich nicht gehen lassen – in dieses Abenteuer. Aber ich habe keine Zeit, um dich zu kämpfen. Jetzt muß dieser Krieg verhindert werden, das ist mein Kampf.«
Sie standen einen Augenblick schweigend.
»Vielleicht auf Wiedersehen, Erich!« sagte der Doktor dann freundlich.
»Auf Wiedersehen, Herr Doktor«, antwortete Erich leise.
5
Zum erstenmal seit langen Wochen hatte die Familie Hackendahl wieder einmal vollzählig um den Abendbrottisch gesessen, und der alte Vater hatte so wenig eisern in die Runde geschaut, wie es ihm nur möglich war. Alles war wirklich vergeben und vergessen, keinerlei unangenehme Fragen waren gestellt worden. Was der Friede veruneinigt hatte, der nahende Krieg hatte es zusammengeführt.
Sophie war auch heimgekommen, vom Krankenhaus war sie auf einen Sprung herübergelaufen, zu erfahren, welche Veränderungen der Krieg der Familie Hackendahl bringen würde.
»Also Otto rückt schon morgen früh ein«, berichtete Vater Hackendahl zufrieden, »und Erich werden sie wohl auch gleich dabehalten, wenn er sich freiwillig stellt. Und Sophie, du denkst also auch bald an die Front zu kommen, wenn du auch erst Lehrschwester bist?«
»Und ich«, rief Bubi. »Du sagst nein, Vater, aber ich sage, sie nehmen mich doch. Jetzt wird jeder Mann gebraucht.«
Alle lachten, und Hackendahl meinte: »Es wäre schlimmum uns bestellt, wenn wir schon Kinder wie dich brauchten! Das haben wir Gott sei Dank noch nicht nötig. – Aber, hört mal, denkt ihr denn gar nicht an mich?!«
»An dich, Vater? Wieso?«
»Na, ich werde mich doch natürlich auch freiwillig melden.«
»Aber, Vater, du bist doch ein alter Mann!«
»Ich alt? Ich bin erst sechsundfünfzig! Was ihr könnt, kann ich noch allemal!«
»Aber dein Geschäft, Vater – die Droschken!«
»Was geht mich das Geschäft an? Jetzt geht das Vaterland vor. Nein, Kinder, das ist ausgemacht, ich gehe mit.«
»Immer hat Vater gesagt«, jammerte die Mutter, »er kann sich nicht einen Tag freinehmen, das Geschäft geht nicht ohne ihn. Und jetzt plötzlich kann er ganz einfach in den Krieg!«
»Wirst du dich eben um das Geschäft kümmern, Mutter!« Wieder lachten sie.
»Ich meine das im Ernst. Wer, denkt ihr denn, soll jetzt all die Arbeit von den Männern machen, die ins Feld ziehen? Doch nur ihr Frauen! Das wird schon gehen, Mutter. Eva hilft dir. – Was ist mit dir, Eva, du sitzt so blaß da und redest keinen Ton …?«
»Ach, nichts, Vater. Es ist wohl nur die Hitze und das Gedränge beim Schloß gewesen …«
»Vater«, fing Heinz wieder an. »Ob ich wohl noch mitkomme? Wie lange, denkst du denn, kann der Krieg dauern …?«
Wieder lachte der Vater. »Du Grünschnabel! Sechs Wochen, höchstens bis Weihnachten – dann bist du immer noch dreizehn! Nein, Weihnachten feiern wir schon wieder zu Hause.
Weitere Kostenlose Bücher