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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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haben.«
    »Darum mußt du in die Kaserne?«
    »Vielleicht – ich weiß doch nicht. Mobil heißt: Ich muß wieder dienen.«
    »Wie lange denn?«
    »Das weiß ich auch nicht …«
    Stille, lange Stille. Er sitzt mit gesenkten Augen da, er schämt sich, daß er sie angelogen hat, alle haben davon geredet, daß es Krieg wird. Er aber sagt ihr immer bloß, daß mobil nicht Krieg ist. Vielleicht ist es die letzte Stunde, die sie so zusammensitzen …
    Sie hat nachgegrübelt. Nun fragt sie: »Was sagt der Vater?«
    »Ach, der …«
    »Was sagt er, Otto?«
    »Der ist doch immer noch wie beim Militär …«
    »Er sagt, daß Krieg wird …?«
    Otto nickt langsam.
    Lange Stille.
    Dann kommt ihre Hand zu der seinen über den Tisch. Seine Hand will ausweichen, aber sie wird gefangen. Erst widerstrebtsie, dann fügt sie sich in die kleine Hand mit den zerstochenen, harten Fingerkuppen der Näherin.
    »Otto«, bittet sie, »sieh mich doch an …«
    Wieder will die Hand entweichen, und wieder läßt sie sich halten.
    »Otto!« bittet Tutti.
    »Ich schäme mich so …«, flüstert er.
    »Warum denn, Otto? Hast du Angst vor dem Militär?«
    Er schüttelt hastig den Kopf.
    »Vor dem Krieg …?«
    Wieder Kopfschütteln.
    »Aber warum schämst du dich denn, Otto?«
    Er spricht nicht, er macht wieder einen Versuch, seine Hand zu befreien, er sagt: »Ich glaube, ich muß gehen.«
    Sie kommt rasch um den Tisch, sie setzt sich auf seinen Schoß. Sie flüstert: »Komm, sag es mir ganz leise, warum du dich schämst …«
    Er hat nur einen einzigen, idiotischen Gedanken im Kopf. »Ich glaube, ich muß nach Haus«, sagt er und will sich von ihr frei machen. »Vater schilt sonst …«
    Sie hat ihre Arme um seinen Hals gelegt. Nur schwach glimmt der Lebensfunke in ihr, aber rein. »Mir kannst du doch sagen, warum du dich schämst, Ottchen«, flüstert sie. »Ich schäme mich ja auch nicht vor dir …«
    »Tutti«, sagt er. »Ach, Tutti … Ich taug ja nichts. Vater …«
    »Ja, sag … sag, Otto!«
    »Ich habe die Papiere nicht …«
    »Welche Papiere?«
    »Die Papiere! Ich habe solche Angst – Vater erlaubt es nie!«
    Lange, lange Stille. Sie liegt so ruhig an seiner Brust, klein, schwach, zerbrechlich … Als schliefe sie. Aber sie schläft nicht, sie hat die Augen weit geöffnet, diese Augen mit dem sanften und doch glühenden Taubenblick … Sie versucht, seinen Augen zu begegnen, seinen scheuen, blassen Augen …
    Plötzlich steht er auf. Er hält sie im Arm, er trägt sie wieein Kind. Mit ihr auf dem Arm geht er im Zimmer herum, sie vergessend, sich vergessend, alles …
    Er murmelt mit sich, er spricht leise. »Ja, du«, sagt er etwa, »du denkst, du bist was. Aber daß der Rappe lahmt, das habe ich gesehen und nicht du … Und daß der Piepgras dich beschummelt, das weiß nur ich, nicht du … Aber das ist es nicht. Du willst überall sein, nicht nur in Haus und Stall, auch in Erich willst du sein und in Heinz und in Mutter. Was jeder Kutscher denkt, das willst du wissen, und es darf nur das sein, was du denkst. Als Junge habe ich mir mal eine kleine Wassermühle gebaut und sie unter der Leitung laufen lassen, und du hast mir die Wassermühle zertreten und gesagt, das ist Dreck, das braucht zuviel teures Wasser – das habe ich nie vergessen …
    Du und deine Kinder … Aber deine Kinder wollen dich alle nicht, und ich will dich am wenigsten! Mich, denkst du, hast du am festesten, aber mich hast du gar nicht, nichts von mir. Bloß, daß ich tue, was du willst, damit ich dein Geschrei nicht mehr hören muß …«
    »Otto! Otto! Was redest du?« ruft sie in seinem Arm.
    »Ja, du bist auch da. Ich weiß, du bist da, meine Gute, meine Einzige, mein ganzes Glück. Die Einzige, die mich nie getreten hat! Aber ich habe dich nie allein gehabt, auch hier ist er immer gewesen, noch drinnen, wenn wir beieinanderlagen, noch drinnen …«
    »Otto! Otto!!«
    »Aber wenn es jetzt wirklich Krieg gibt, und ich mit muß, so will ich beten, daß mir ein Arm oder ein Bein abgeschossen wird, daß ich nicht mehr in seinem verfluchten Stall arbeiten muß, unter seinen Augen, daß ich irgendwoanders hingehen kann, wo ich ihn nicht sehe, ihn vergesse …«
    »Otto, er ist doch dein Vater!«
    »Mein Vater …? Er ist bloß der eiserne Gustav, wie die Leute sagen, und er ist noch stolz darauf! Aber man soll nicht stolz darauf sein, daß man eisern ist, denn dann ist man kein Mensch und kein Vater! Ich will nicht mehr nur sein Sohn sein, ich will ein eigener

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