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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Kloß im Hals.
    Die Muhme nickte. »Ja. Aber sie wollten ihr Gewalt antun.«
    Das Sonnenlicht fiel durch staubige Fenster in die Kate und ließ die Spinnweben in den Ecken glitzern. Hans begann zu weinen, denn er musste an den ertrunkenen Grimm denken, und er vermisste seine Freunde.
    »Tränen heilen die Seele«, murmelte die Muhme. Sie stopfte ihre Pfeife und entzündete sie mit einem Kienspan. »Dies ist das Kryptonomicon«, sagte sie und tippte auf das Buch. »Es enthält Prophezeiungen, Zauber und Bannsprüche und erzählt von der Zeit vor der Zeit und der Welt unter der Welt. Hier …« – sagte sie und blätterte weiter – »… ist ein Bild der Esche, die unsere Welt trägt und von den drei blinden Feen gehegt wird. Und hier …« – sie blätterte weiter – »… siehst du die Karontiden, Ungeheuer der Unterwelt, die nur Böses im Sinn haben.« Sie biss grimmig auf den Pfeifenstiel.
    Hans wischte die Tränen weg und betrachtete das Bild. Die Karontiden waren größer als ein Bär; ihr Schädel war kahl, die Augen waren gelb; ihrem Steiß entsprang ein Schwanz; Brüste und Schritt liefen in spitzen, aufwärts geschwungenen Dornen aus. Sie sahen aus, als könnten sie einen Mann mit ihren Pranken zerreißen. »Gibt es sie wirklich?«, fragte er.
    »Natürlich«, fauchte die Muhme. »Das Kryptonomicon lügt nie.«
    »Wo soll diese Esche denn stehen? Ich bin viel in Pinafor herumgekommen, aber ich habe sie nie gesehen.«
    Die Muhme starrte ihn aus Pupillen an, groß wie die einer Katze bei Nacht. »In Pinafor stimmt etwas nicht, mein Junge. Die Menschen ertrinken in Gold von dunkler Herkunft. Männer arbeiten nicht mehr, Mütter lassen ihre Kinder verkommen. Ein Dornenhag umschließt die Feste der Gografen, und alle darin liegen in tiefem Schlaf. Niemand sorgt mehr für Recht und Ordnung, von Anstand ganz zu schweigen.«
    »Ich weiß«, sagte Hans betreten. »Wir haben noch nie so viel erbeutet wie in diesem Sommer. Und keiner hat uns verfolgt – weder Büttel noch Ritter.« Er musste lachen. »Es war ein Kinderspiel. Die Landmänner waren meist betrunken. Wir haben sie ausgeplündert und ihnen zum Abschied den roten Hahn auf das Dach gesetzt.«
    Die Muhme sah ihn strafend an. »Irgendjemand will Pinafor schaden«, murmelte sie. »Irgendjemand greift die Wurzeln der Welt an – und die der Esche. Wenn ich nur wüsste, wer dahintersteckt.
Was
dahintersteckt.« Sie schwieg lange. Dann schrak sie aus ihren Gedanken auf und flüsterte so leise, dass Hans sie kaum verstehen konnte: »Der König …«
    »Wo steht diese Esche?«, fragte er noch einmal.
    »Das weiß niemand, mein Junge. Im Kryptonomicon findet sich kein Hinweis darauf. Aber …« – sie hob den Zeigefinger – »… es gibt einen Hinweis auf das Mädchen.« Die Muhme blätterte die dicken Seiten um. Sie murmelte vor sich hin und spuckte aus dem Mundwinkel auf den Lehmboden. Dann las sie vor: »›Eine Jungfer mit mondhellem Antlitz und Augen, grün wie Frühlingsgras. Eine Jungfer, wie der Nachthimmel mit Sternen gesprenkelt. Eine Jungfer, deren Rücken …« – sie sah Hans an – »… den Weg zur Esche weist, die unsere Welt trägt. In der Stunde der Not wird sie erscheinen. Sie ist schön wie eine Blume und stumm wie ein Fisch. Der Weise findet sie an den Ufern der Nacht. Er bringt sie zum Sprechen mit dem strahlendsten Stern.‹«
    »Ja«, sagte Hans verblüfft. »Das ist sie.«
    »Du musst sie finden«, sagte die Muhme.
    Hans wich bis zur Wand zurück, an der ein Wisentschädel hing. »
Ich
?«, stieß er hervor. »Warum ausgerechnet ich? Sie hat meine Freunde getötet.«
    »Pah«, erwiderte die Muhme. »Räuber und Mörder. Das sind mir schöne Freunde. Begreifst du nicht, was auf dem Spiel steht? Du könntest helfen – ja, du könntest Buße für dein Räuberleben tun, indem du dich in den Dienst einer guten und gerechten Sache stellst.«
    »Ich würde das Mädchen nur suchen, um den Tod meiner Freunde zu rächen«, erwiderte Hans trotzig. »Außerdem bin ich der Sohn eines Holzhackers und seiner hartherzigen Frau. Ich habe nicht das Zeug zu großen Taten.«
    »Wer weiß? Du warst ein Räuber mit einem pechschwarzen Herzen, aber vielleicht ist es bald weiß wie Mehl. Weise ist, wer sich hinterfragt. Dumm – und manchmal auch böse – sind jene, die im Spiegel immer nur das sehen, was sie sehen wollen.« Die Muhme klappte das Buch zu. »Wir besuchen die dreizehn weisen Weiber«, sagte sie entschieden. »Sie beraten

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