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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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luxuriöser als die Bäckerei
– nicht, daß das besonders schwierig gewesen wäre. Anscheinend blühte das Kopfgeldjägergeschäft in Nebelhafen . Es war
ein großes Gebäude mit verschnörkelten Dekorationen und
Stuck. Ein steter Strom von Menschen ging ein und aus. Hazel stapfte durch die geöffnete breite Doppeltür, als wäre das
Haus ihr eigenes, und Owen beeilte sich, ihr zu folgen. Sie
gingen beinahe unter in dem vollständigen Chaos, das die
große Eingangshalle von einer Wand bis zur anderen ausfüllte. Überall, wo Owen hinblickte, standen Schalter und
Schreibtische, die unter Stapeln von Akten zusammenzubrechen drohten. Menschen rannten zwischen den Tischen hin
und her, als würde ihr Leben davon abhängen. Aber das hier
ist schließlich Nebelhafen , dachte Owen. Vielleicht hängt ihr
Leben tatsächlich davon ab . Eine große, buntgewürfelte Menschenmenge füllte den restlichen Raum aus. Sie brüllten die
Leute hinter den Schreibtischen und sich gegenseitig sowohl
laut als auch hartnäckig an. Die Wände waren übersät mit
Steckbriefen, und oben an der Decke hatte jemand eine Reihe
von detaillierten Gemälden des menschlichen Körpers geschaffen – und die Punkte hell hervorgehoben, wo großkalibrige Waffen die beste Wirkung erzielten.
Der Lärm war ohrenbetäubend, die Luft heiß und stickig
und der Gestank beinahe unerträglich. Hazel schob sich unter
freizügigem Gebrauch von Fäusten und Ellbogen mitten durch
das dichteste Gewühl. Anscheinend war ihr Benehmen gängige Praxis oder zumindest gängig genug, daß nur ganz wenige
Leute nach ihren Schwertern griffen – freilich zu spät, denn
da waren sie und O wen schon wieder im Gedränge verschwunden. Owen hielt sich immer dichter hinter seiner Gefährtin, murmelte höfliche Entschuldigungen, die keiner hörte,
und blitzte diejenigen an, die ihre Waffen nicht schnell genug
wieder losgelassen hatten. Es war ein sehr wirkungsvolles
Blitzen, und Owen hatte seit seiner Ankunft auf Nebelwelt
massenweise Gelegenheiten gehabt, diesen Blick zu vervollkommnen. Ein sorgfältig ausbalanciertes Gemisch aus mühsam bezähmter Wut und drohender Gewalt mit einer unterschwelligen Note von purem Wahnsinn. Als er die Menge zur
Hälfte durchquert hatte, begannen die Leute vor ihm bereits
freiwillig zurückzuweichen.
Vor einem Schreibtisch auf der Rückseite des Raums kam
er neben Hazel zum Stehen. Auf dem Schreibtisch befanden
sich zwei Ablagekörbe. Auf einem stand ›Eingegangen‹, auf
dem anderen ›Dringend‹. Zwischen den beiden Körben stapelte sich Papier. Das meiste davon sah nach billiger Recyclingware aus, und Owen bemerkte fasziniert, daß fast alle Texte
handgeschrieben waren. In den Kreisen, in denen er früher
verkehrt hatte, fanden sich nur ganz selten handgeschriebene
Briefe. Üblicherweise schrieben nur Liebespaare oder Spione
mit der Hand.
Der Mann hinter dem Schreibtisch war eine kleine, eifrige
Gestalt mit permanent verdrießlichem Blick. Er war lässig
oder eher nachlässig gekleidet, und sein dickes schwarzes
Haar stand wirr in alle Richtungen ab, obwohl er dauernd
glättend mit der Hand über seinen Kopf fuhr. Hazel setzte ihr
bezauberndstes Lächeln auf, und der Schalterbeamte starrte
mit einer Mischung aus Verzweiflung und drohendem
Schlaganfall zurück. Sie öffnete den Mund, um zu reden, aber
er fuhr ihr mit einer lauten, durchdringenden Stimme dazwischen, die keinerlei Mühe hatte, den allgemeinen Lärm zu
durchdringen.
»Ich weiß es nicht! Was auch immer es ist, ich weiß es
nicht, und es ist mir auch egal! Ich sitze bis zum Hals in Papierkram und versinke bald darin. Verschwinde! Kommt
nächste Woche wieder. Oder nächsten Monat. Am besten gar
nicht. Was steht Ihr noch hier herum?«
»Ich brauche einen Namen, sonst nichts«, sagte Hazel.
»Das sagt jeder«, schnappte der Beamte zurück. »Habt Ihr
eine Vorstellung, wieviel Arbeit es macht, auch nur einen
einzigen Namen herauszusuchen? Nein, natürlich habt Ihr
keine Ahnung. Und es ist Euch auch vollkommen egal, oder?
Niemand schert sich darum«, endete er wehmütig. »Niemand
weiß zu schätzen, was wir hier leisten. Die Frühstückspause
ist der reinste Witz, es gibt nur eine einzige Toilette, und das
Gehalt ist jämmerlich. Wenn es nicht die Pension gäbe, dann
hätte ich schon längst gekündigt. Und die sich immer wieder
bietenden Gelegenheiten, den Leuten das Leben schwerzumachen. Ich sehe meine Arbeit als eine Art Rache an der

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