Der eiserne Thron
bevor sie auch
sie umbrachten. Die drei Schläger umklammerten die Griffe
ihrer Schwerter und stampften ungeduldig im Schnee herum.
Sie hatten nicht geplant, so lange auf Todtsteltzer warten zu
müssen. Aber planen gehörte sowieso nicht zu ihren Stärken,
genausowenig wie Geduld.
Inzwischen schneite es wieder, und der Nebel wurde von
Minute zu Minute dichter. Es war eiskalt. Krähe machte ein
mürrisches Gesicht. Eigentlich war er der Anführer der drei,
nicht nur, weil er den Mund am weitesten aufriß, sondern
auch, weil er am lautesten redete. Jetzt beschlich ihn nach und
nach das ungute Gefühl, daß die Idee mit dem Hinterhalt vielleicht nicht so gut gewesen war – und das, obwohl es eigentlich seine eigene Idee gewesen war. Es dauerte alles viel zu
lange. Sie konnten nicht die ganze Zeit über mit dem Schwert
in der Hand in der Gasse stehenbleiben. Irgend jemand würde
es schließlich auffallen, selbst hier in einer Stadt wie Nebelhafen. Er wandte sich zu Jude um und wollte über das Warten
im allgemeinen und die Kälte im besonderen lamentieren,
doch dann erstarrte er mitten im Wort.
Jude war nicht da.
Krähe blinzelte. Noch vor einer Minute hatte Jude neben
ihm gestanden. Lebensgroß und doppelt so stinkend. Krähe
blickte schnell die enge Gasse hinab, aber es gab nirgendwo
eine Stelle, wo Jude sich hätte verstecken können. Wenigstens
Harley war noch da. Krähe packte ihn am Arm, und Harley
wäre vor Schreck beinahe aus der Haut gefahren.
»He! Mach das nie wieder! Du weiß’, daß ich nervöse Zukkungen kriege, wenn mich jemand erschrecken tut. Was willst
‘n?«
»Wo is ‘n Jude?«
Harley blickte Krähe argwöhnisch an, dann blickte er unsicher die Gasse entlang. »Weiß nich’. Ich dacht’, er wär’ bei
dir? Vor ‘ner Minute war er doch noch da!«
»Weiß ich selbst, daß er vor ‘ner Minute noch da war. Aber
jetz’ is’ er wech! Was is ‘n mit ihm, Mann?«
»Keine Ahnung, Mann. Vielleicht mußt’ er pinkeln un’ is’
… wechgegang’.«
»Ohne ein Wort zu sage’? Un’ warum haben wir nich’ bemerkt, wie er wechgegang’ is?«
Harley blickte zu Boden und dachte angestrengt nach. Das
fiel ihm nicht eben leicht. Denken war ihm noch nie leichtgefallen, und er war ziemlich sauer auf Krähe, weil der ihm so
viele schwierige Fragen stellte. Harley war schließlich nicht
zum Denken in der Bande. Er war hier, um Befehle entgegenzunehmen und Leute zu verhauen. Voller Hoffnung hob er
den Blick zu Krähe. Vielleicht würde der Boß ja selbst mit
den Antworten rausrücken. Aber Krähe wartete noch immer
auf Harleys Antwort, und so senkte er die Augen schnell wieder.
»Ich geh’ mal ans Ende der Gasse gucken«, sagte Harley
hastig. »Nur für den Fall.«
Er wandte sich um und stapfte rasch durch den Schnee davon, bevor Krähe fragen konnte, für welchen Fall. Krähe
blickte seinem Kumpan hinterher und fluchte lautlos. Der
Hinterhalt hatte noch nicht mal richtig angefangen, und schon
ging alles schief. Er blickte zur Bäckerei zurück, um sicherzugehen, daß die Beute noch nicht wieder aus dem Haus getreten war, dann blickte er wieder Harley hinterher. Nur um
festzustellen, daß Harley nicht mehr da war. Über Krähes
Lippen kam ein leises wimmerndes Geräusch. Harley konnte
auf gar keinen Fall in der kurzen Zeit, in der Krähe weggesehen hatte, das Ende der Gasse erreicht haben, aber er konnte
auch sonst nirgendwo abgebogen sein. Es sei denn, er hätte
auch mal gemußt und … Krähe drehte sich um seine eigene
Achse, für den Fall, daß er etwas übersehen hatte, mit dem
einzigen Erfolg, daß ihm schwindlig wurde. Dann dachte er
ernsthaft darüber nach, schreiend Fersengeld zu geben – aber
eine dünne Drahtschlinge legte sich lautlos von oben um seinen Hals und drückte seine Kehle zusammen. Krähe ließ sein
Schwert fallen und umklammerte mit beiden Händen den
Draht, aber seine Augen wurden bereits glasig und drohten
aus den Höhlen zu springen, als er plötzlich in die Höhe ge
zogen wurde.
Als Katze ihn endlich oben auf dem Dach hatte, war Krähe
bereits bewußtlos. Katze legte den reglosen Schläger neben
seine beiden schlafenden Kumpane und grinste breit. Er war
so schlau, und sie waren so dumm. Der junge Dieb lockerte
die Drahtschlinge, zog sie von Krähes Hals und wickelte sie
wieder um seinen Bauch. Nachdenklich musterte er die drei
schlafenden Gestalten. Er konnte sie nicht töten. So etwas lag
ihm nicht. Trotzdem gab er Harley einen kräftigen
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