Der eiserne Tiger
Kopf auf die Tischplatte. Eine bleierne Müdigkeit überkam ihn. Er legte den Kopf auf die Arme und schlief ebenfalls ein.
Ganz plötzlich kam er wieder zu sich, gähnte und streckte sich. Dabei glitt die Decke von seinen Schultern. Als er sich bückte, um sie wieder aufzuheben, bemerkte er, daß der Abt an der Tür stand und ihn beobachtete.
»Wie lange habe ich geschlafen?« fragte er ihn.
Da kam der Abt näher und setzte sich auf die Bank am Tisch ihm gegenüber. »Ungefähr drei Stunden. Es wird bald Nacht.« r
Drummond betrachtete die anderen, die immer noch friedlich am Feuer schliefen. »Sie sind schrecklich müde. Sie haben sehr viel durchgemacht«, erklärte er.
Der Abt nickte und brütete mit ausdruckslosem Gesicht vor sich hin. Eine große Ruhe ging von ihm aus. Die Flammen erhellten sein Gesicht und hüllten es gleich darauf wieder in Schatten. Drummond war herrlich ausgeruht und hellwach, aber seine Füße schmerzten empfindlich, und die Zehen an seinem rechten Fuß spürte er gar nicht mehr. Sie waren völlig gefühllos.
Er machte sich an den Riemen seiner Militärstiefel zu schaffen, doch die Knoten waren durch die ständige Nässe so aufgequollen und festgezurrt, daß er sie nicht aufbekam.
»Es würde mich interessieren, zu erfahren, was Sie von meinem Lande halten«, sagte der Abt.
»Offen gesagt, kann ich es kaum erwarten, Ihrem Lande den Rücken zu kehren. Ich habe mehr als genug von diesen Ländern, Städten und Dörfern, in denen der Rauch noch lange aufsteigt, nachdem alles niedergebrannt wurde. Die Flüchtlingstrecks schlagen mir aufs Gemüt.«
»Aber ursprünglich sind Sie doch aus eigenem Antrieb hierhergekommen, nicht wahr?«
»Ich habe einmal irgendwo gelesen, daß das Leben Aktivität und Leidenschaft ist«, erklärte Drummond. »Da hieß es auch, daß der
sein Leben verfehlt hat, der nicht so lebt.«
Geistesabwesend trat er mit dem rechten Fuß immer wieder fest auf den Boden, um seinen Fuß zu spüren und den Kreislauf wieder richtig in Gang zu bringen. Da sagte der Abt: »Das darf man nicht so wörtlich nehmen. Es geht natürlich um das aktive und das passive oder das tätige und das kontemplative Leben. Ein Mann hat das geschrieben, der die ganzen Schrecknisse des Krieges erlebt hat und sich dann sein ganzes restliches Leben der Rechtsstaatlichkeit verschrieb.«
Der Abt ging durch den Raum und öffnete schwere hölzerne Läden. Sie blickten in den Nachthimmel und auf die gewaltigen Berge. Dann traten sie gemeinsam auf eine kleine Terrasse hinaus.
Es war schneidend kalt. Drummond schauderte und zog sich die Decke fester um die Schultern. In den letzten Tagen war er ständig entweder völlig durchnäßt oder halb erfroren gewesen. Das hatte seine Widerstandskraft enorm geschwächt.
Der hohe Nachthimmel war mit unzähligen strahlend hellen Sternen übersät, die über den Berggipfeln zu schweben schienen. Die Nacht war gerade erst angebrochen. Doch während er noch zum Himmel hinaufblickte - wie verzaubert von dem strahlenden Glanz - erloschen die Sterne vor ihren Augen, als habe jemand sie zwischen Daumen und Zeigefinger ausgedrückt.
»Es wird bald heftig schneien«, sagte der Abt.
Der Wind kam um die Ecke gefegt und zerzauste Drummonds Haar. Der Nachthimmel wurde ganz schwarz. Kein einziger Stern war mehr zu sehen. Der Wind heulte klagend, als er durch die Täler auf sie zugefegt kam.
»In so einer Nacht möchte ich nicht unterwegs sein. «
Der Abt hob die Hand und gebot ihm Schweigen. Drummond spitzte die Ohren und lauschte angestrengt, hörte aber nichts. Gerade wollte er etwas sagen, da trug ihm der Wind ein leises Klingeln zu.
»Sie kommen«, sagte der Abt gleichmütig.
»Sind Sie sicher?«
Der Abt nickte. »Sie überqueren gerade das Hauptplateau.«
»Können wir uns irgendwo verstecken?«
Der Abt schüttelte den Kopf. »Dies ist nur ein kleines Kloster. Und da sie Ihnen ja auf der Spur sind, würden sie sehr gründlich suchen.«
Sie waren inzwischen wieder hineingegangen. Drummond legte seine Decke weg, trat ans Feuer und rüttelte rasch die anderen wach.
Hamid setzte sich sofort auf. »Was ist denn los? Sind wir in Schwierigkeiten?«
Drummond nickte. »Wir werden bald Gesellschaft bekommen. Ich fürchte, wir müssen uns wieder auf den Weg machen.«
»Ich lasse die Pferde satteln«, sagte der Abt und eilte hinaus. Father Kerrigan und Janet erhoben sich
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