Der eiserne Tiger
das urplötzlich aus der wirbelnden Dunkelheit auftauchte. Es bäumte sich vor ihm auf, drehte sich zur Seite, und Father Kerrigan rutschte nach hinten ab und fiel auf ihn. Das Pferd lief wie gejagt davon.
Drummond setzte sich auf. Der Wind trug ihm das verzweifelte Wiehern des Pferdes zu. Alles in ihm und um ihn herum war erkaltet. Der Wind fegte ihm ununterbrochen Schnee ins Gesicht. Er hatte das Gefühl, in dieser trostlosen Unendlichkeit ganz allein zu sein. Er kroch ein Stück auf allen vieren, tastete den Boden vor sich ab, doch seine Hand griff immer nur ins Leere.
Da drehte er um, kroch wieder zurück und fand den alten Mann. Father Kerrigan hielt sich gerade noch mühsam auf Händen und Knien aufrecht. So über und über verschneit, erinnerte er an ein Tier. Drummond half ihm auf. Sie stützten sich gegenseitig und stolperten weiter.
Es ging einfach nicht, war völlig sinnlos. Er sank wieder auf die Knie, und der alte Mann fiel neben ihm in den Schnee, konnte sich kaum noch rühren. Drummond holte tief Luft. Irgend etwas tief in seinem Innern, ein nie erlahmender Mut und Lebenswille, verlieh ihm die Kraft, den alten Mann wieder hochzuziehen und weiterzuschleppen.
Nach einer Weile blieben sie erschöpft stehen, schwankten vor Entkräftung hin und her und nahmen kaum zur Kenntnis, daß aus der Dunkelheit ein Pferd vor ihnen auftauchte. Es war Hamid.
Drummond konnte sich später nicht daran erinnern, wie es weitergegangen war. Er sah noch, wie Hamid den alten Mann mit übermenschlicher Anstrengung hochzog und über den Sattel legte und ihm Anweisungen zurief, die der Sturm jedoch sofort davontrug. Dann machte das Pferd einen Satz und trabte los. Drummond wurde mitgezogen. Seine rechte Hand war fest um den Sattelgurt geschlungen.
Janet stand mit der Laterne in der Tür der Hütte. Das war ihre Rettung. Sie ritten durch den Schneesturm auf das Licht zu. Hamid glitt zu Boden und zog Father Kerrigan vom Sattel. Mit dem alten Mann im Schlepptau taumelte er auf die Tür zu. Drummond blieb wie betäubt stehen und hielt sich weiter am Sattelgurt fest.
Das hätte er besser nicht getan. Als ein plötzlicher Windstoß vom Tal her rasiermesserscharfe Eiskörner herumwirbelte, bäumte sich das erschrockene Tier auf, stieß Drummond um und galoppierte in wahnwitzigem Tempo durch die Nacht davon.
Mühsam rappelte er sich auf und krabbelte instinktiv auf Händen und Knien auf die Tür zu. Ihm war, als sei ihm der Wind auch ins Hirn gedrungen und habe dort alles durcheinandergewirbelt. Ihm wurde schwarz vor Augen. Alles um ihn herum versank. Finsternis umhüllte ihn.
14. Kapitel
DIE LETZTE RUNDE
Er erwachte nur ganz langsam aus seinem tiefen, ohnmachtähnlichen Schlaf. Eine ganze Weile lag er einfach so da und starrte in der Düsternis nach oben. Ihm fiel nicht mehr ein, wo er sich befand. Doch dann kehrte plötzlich die Erinnerung zurück, so daß er versuchte, sich aufzusetzen.
Die Hütte war aus groben Felsblöcken errichtet worden. Sie war sehr niedrig. Er lag auf einem modrigen Heuhaufen, Hamid lag neben ihm. In der Mitte der Hütte brannte auf dem Steinboden ein Feuer.
Sie hatten ihm die Oberbekleidung ausgezogen. Er trug nur noch seine Unterwäsche und war mit Lammfellmänteln zugedeckt. Er schob sie beiseite und betrachtete seine wunden, rissigen und geschwollenen Hände. Dann berührte er vorsichtig mit den Fingerspitzen das Gesicht. Er zuckte zusammen und stöhnte auf vor Schmerzen, als er an die tiefen Risse im Fleisch kam.
Sein rechter Fuß fühlte sich ganz schwer und taub an. Als er sich aufsetzte, stellte er fest, daß ihm jemand den Fuß verbunden hatte. Er lehnte sich vor, um ihn anzufassen, da öffnete auch Hamid die Augen und stützte sich auf einen Ellenbogen.
»Wie fühlst du dich? Schon besser?«
»Hundsmiserabel. Was ist denn mit meinem Fuß passiert?«
»Nur ein paar Frostbeulen, weiter nichts.«
Drummond sah ihn mißtrauisch an. Da versicherte ihm Hamid grinsend: »Die Zehen sind alle noch dran, falls du daran etwa zweifeln solltest.«
»Verdammt noch mal, der Fuß ist ja völlig gefühllos!«
»Janet hat dir eine Spritze gegeben - irgendwas aus dem Arztkoffer des alten Mannes.«
Janet, Father Kerrigan und der kleine Khan schliefen friedlich
auf der anderen Seite des Feuers. »Wie geht es ihm?«
»Er hat gestern nacht einen Herzanfall gehabt, nachdem ich ihn hereingeschafft hatte. Glücklicherweise
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