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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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hätte er Feuer gefangen. Zuckend lag ich im Staub. Das Piratenmädchen riss mich mit einer Hand hoch, schnappte sich mit der anderen meine Werkzeugtasche und zerrte mich quer über die Straße zu ihrem Truck. Ich schaffte es kaum, die Füße vom Boden zu heben, und mein Arm schien zu explodieren vor Schmerz. Benommen starrte ich auf meinen Wagen, und irgendwie fand ich am allerschlimmsten, dass die Heckklappe offen stand und jetzt der Sand hineinwehte. Als hätte der Wagen seine letzten Kilometer hinter sich und die Welt wolle mir sagen, dass nichts ewig hält.
    Nichts, Banyan. Und am allerwenigsten du.
    *
    »Achtung, Ladys«, schrie das Piratenmädchen in den Bauch des Trucks hinunter, von wo ungefähr hundert funkelnde Augen zu uns hinaufsahen. »Das ist ein echter Charmebolzen.«
    Sie packte mich und schob mich in den Tankwagen.
    Und der war voller Menschen.
    Gestalten aus Haut und Knochen, gekrümmt vor Angst, umgeben von Pisse und Kotze. Sie hockten in ihrem eigenen Schweiß auf dem Boden und stanken wie vertrocknete Scheiße.
    Alles an mir wand sich, zuckte, protestierte. Mein Arm pochte, und mir war schwindelig. Aber es gab kein Entkommen.
    Ich schrie, bis mir Schaum vor dem Mund stand. Versuchte wegzulaufen. Aber die Piratin schob mich wieder runter, bis ich Fleisch unter mir spürte, Finger, die nach mir griffen, bis mich der schleimige Mob wie ein Stück Knorpel absorbierte.
    Als die Klappe zufiel und mich im Halbdunkel einschloss, krümmte ich mich zuckend zusammen und rang keuchend nach Luft. Der Gestank war so heftig, dass ich fast aufgehört hätte zu atmen, doch gleichzeitig versuchte ich krampfhaft, bei Bewusstsein zu bleiben und die Augen offen zu halten.
    Doch wozu?
    Es gab nichts zu sehen außer kaputten Zähnen und gelblicher Haut. Nichts außer knochigem Fleisch. Als sich der Tanker in Bewegung setzte, kämpfte ich mich zu einer der Wände vor. Weit entfernt setzte die Musik wieder ein, und die kreischenden Gitarren legten sich über das Stöhnen, das aus meinem Mund drang. Und aus dem Mund von jedem anderen Idioten hier drin. Hin und wieder erhob sich eine Stimme, oder eine Faust schlug gegen das Metall – wahrscheinlich einer der neueren Gefangenen, einer von den Fußgängern, die ich auf der Straße gesehen hatte. Aber ansonsten brachte die erstickende Angst alle zum Schweigen. Sie lastete drückend auf uns und hüllte uns ein wie die Dunkelheit.
    Was jetzt?, dachte ich. Was kommt als Nächstes?
    Ich zitterte. Mir brach der kalte Schweiß aus. Ich war gefangen. Der Wagen würde verrosten. Und mein Buch würde zerfallen, die Borke würde verfaulen, und Zees Bilder würden alle völlig verblassen wie kleine Teile eines großen Nichts, das sowieso nie von Bedeutung war. Und mein Vater würde auch vergehen. Genau wie ein Foto. Er würde im Frühjahr getötet werden, und ich würde noch vor ihm umgebracht werden, und am Schluss wäre niemand mehr da, der sich an uns erinnern konnte.
    Ich lehnte das Gesicht an die Wand und schluchzte. Verzweifelt umklammerte ich meinen verletzten Arm und wünschte mir, der Schmerz würde aufhören. Tiefer konnte ich nicht sinken.
    Aber es wurde noch schlimmer.
    Denn plötzlich hielt der Truck an, und die Klappe öffnete sich quietschend. »Gehört der zu dir?«, rief eine Frau mir zu.
    Ich konnte mich nicht umdrehen. Konnte nicht hinsehen. Ich spürte nur, wie Sal sich an mir festklammerte und nicht mehr loslassen wollte. Der arme kleine Scheißer schrie so laut, dass ich kaum hörte, wie die Klappe hinter ihm zugeschlagen wurde.

Kapitel 20
    S ie spielten immer dasselbe beschissene Album. Wieder und wieder. Drehten immer an denselben Stellen auf, bis wir schließlich dort ankamen, wo wir wohl hinwollten.
    Ich wünschte mir einfach nur noch, ohnmächtig zu werden. Abtauchen zu können. Aber ich wusste, dass ich wach bleiben und aufpassen musste. Also verharrte ich mit geschlossenen Augen und gespitzten Ohren. Und ich zählte, wie oft das Album durchlief, bis der Truck hielt – vier Mal. Wir waren also schätzungsweise vier Stunden gefahren. Bei diesem Tempo, abseits der Straße, war mein Wagen nun ungefähr einen Tagesmarsch entfernt. Wenn man die richtige Richtung kannte.
    Als die Räder zum Stillstand kamen, wurden im Tanker Stimmen laut, zitternde, klagende Laute, erstickt vor Bitterkeit. Ich versuchte, an etwas Vertrautes zu denken, etwas Schönes, und stellte mir vor, ich wäre wieder im Erinnerungscontainer des Tripnotysten, mit den ganzen grünen Bäumen

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