Der eiserne Wald
ja nicht wahr sein.«
Sal verdrehte die Augen. »Natürlich ist sie wahr, Baumfuzzi. Wenn sogar GenTech dran glaubt. Aber Crow weiß nichts von dem letzten Tattoo, das ist das Problem.«
»Das letzte Tattoo?«
»Ach? Hast du das bei deinem nächtlichen Ausflug etwa nicht entdeckt?« Sal verzog das Gesicht. Seine Haut war total verschwitzt und eklig. »Das letzte Tattoo ist auf Zee, du Idiot. Ganz klein und versteckt. Wahrscheinlich weiß sie nicht einmal selbst, dass es da ist.«
Er sprang vom Tresen, drehte mir den Rücken zu und deutete mit seinem dicken Finger auf die Stelle direkt über seiner Poritze. »Ganz unten an der Wirbelsäule«, erklärte Sal. »Genau da. Und dieses Blatt zeigt nach unten.«
»Wie zum Teufel konntest du das finden?«
Sal drehte sich um und zwinkerte mir zu. »Wie gesagt, sie ist nicht meine Schwester.«
In diesem Moment wäre ich wohl besser gegangen.
Aber der Junge redete immer weiter.
»Sie suchen also zu weit nördlich. Ohne die Kurskorrektur. Aber wenn du ein Navi besorgst, kann ich uns an den richtigen Ort führen.«
»Du kennst die Zahlen doch gar nicht alle.«
»Schon wieder falsch, Baumfuzzi. Schon wieder falsch.«
Sal führte mich in Frosts ausgeräumtes Arbeitszimmer. Ich musterte erst den leeren Schreibtisch, dann den toten Fernseher, bis Sal mich in die Rippen piekte und zur Decke zeigte.
»Schon eine Wucht, oder?«, flüsterte er, und ich war mir nicht sicher, ob er damit die Frau oder den Baum meinte. Doch dort oben klebte wie ein Puzzle aus vielen einzelnen Fotos ein Bild von Frosts Frau. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihr Oberteil war hochgeschoben, so dass dieses absolut lebensecht wirkende Tattoo zu sehen war.
»So viele Zahlen«, hauchte ich, hockte mich hin und verrenkte mir fast den Hals.
»Und die sind alle hier drin gespeichert. Zees auch.« Sal tippte sich an die fettige Schläfe. »Aber ich würde sagen, wir nehmen die Bilder trotzdem mit.«
»Mitnehmen?«
»Ich hab’s dir doch erklärt: Besorg mir ein Navi, dann finde ich den richtigen Ort.«
»Klar doch, ein Navi. Brauchst du vielleicht sonst noch irgendwas?«
»Wenn Crow eins finden konnte, schaffen wir das auch.«
Kurz dachte ich darüber nach. »Da gibt es nur einen Ort, wo sich die Suche lohnen könnte.«
»Vega.«
Nachdenklich betrachtete ich den Baum an der Decke. »Wie wäre es, wenn du mir die Zahl verrätst?«, schlug ich vor. »Diese Kurskorrektur.«
Sal schüttelte den Kopf. »Die werde ich dir nie sagen.« Er warf einen Blick auf die Nagelpistole. »Deshalb musst du mich ja mitnehmen.«
»Dich mitnehmen?«
»Ganz genau.« Plötzlich wurde seine Stimme rauh. »Du brauchst mich. Genauso wie ich dich brauche. Und gemeinsam fangen wir uns dann ein paar Bäume, Banyan. Das willst du doch, oder nicht?«
Er hatte recht. Mehr wollte ich nicht. Dieser Wald konnte mir meinen alten Herrn zurückgeben, und noch dazu ein völlig neues Leben und eine Zukunft – mehr war es doch nicht, das Gelobte Land. Ich wusste, dass ich einfach alles tun würde, um dorthin zu gelangen.
Absolut alles.
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Teil Zwei
Kapitel 18
D ie Vierzig ist die einzige Straße, die nach Westen führt, und sie bringt einen direkt nach Vega. Wenn man Glück hat.
Fährt man während der heißen Jahreszeit über die Ebenen, reißen einem die Heuschrecken das Fleisch von den Knochen, sobald man den Mais erreicht. Also wartet man, bis der Winter kommt, dann wird der Mais von der Kälte abgetötet. Die Heuschrecken schlüpfen erst wieder im Frühjahr und die Vierzig sollte frei sein. Dann muss man sich nur noch wegen der Piraten Sorgen machen. Und wegen der Wilderer.
Und man muss beten, dass man nicht verschleppt wird. Klar, überall verschwinden Leute. Wo immer man auch hinkommt, ist irgendwann mal jemand spurlos verschwunden. Aber auf den Ebenen ist es noch schlimmer. Außerdem brennt die Sonne dort noch gnadenloser, der Staub ist noch dichter und die unberechenbaren Winde geben nie Ruhe.
Teile der Vierzig sind in gutem Zustand, der alte Teer klebt praktisch an den Reifen. Aber größtenteils verschluckt der Staub die Räder und sammelt sich auf der Windschutzscheibe. Manchmal muss man sogar blind fahren.
Sal hatte die Kamera und das Popcorn gefunden, das Zee unter dem Beifahrersitz verstaut hatte. Jetzt spielte er mit dem Apparat herum und schoss Bilder von dem braunen Himmel, während wir immer weiter nach Westen fuhren.
»Du solltest sparsamer damit sein«, mahnte ich, als er mir wieder ein
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