Der eiserne Wald
Ersatzbrille aus dem Wagen und zog sie ihm über den Kopf. »Zieh dein Shirt hoch, sonst kannst du schlecht atmen«, befahl ich, weil der Wind immer stärker wurde. Inzwischen sah man nicht mal mehr die Hand vor Augen. Aber wir hörten die Motoren. Es waren zwei. Und mit jedem Moment, in dem der dämliche Sal zögerte, brummten sie näher heran.
»Geh schon«, schrie ich. »Hau ab!«
Endlich rannte er los, so schnell ihn seine Schwabbelbeine trugen. Ich beobachtete, wie er ausrutschte, hinfiel, sich wieder aufrappelte und weiterlief. Dann war er nicht mehr zu sehen.
Ich schlug die Heckklappe zu und lief nach vorne zur offenen Haube. Kurz bevor ich mich wieder über den Motor beugte, entdeckte ich die Umrisse der beiden Piratenfahrzeuge, deren ölige Farbe sogar den Staubsturm durchdrang, während sie mit jeder Sekunde bedrohlich näher kamen.
Kapitel 19
I ch hatte mir die Nagelpistole in den Gürtel geschoben und mein Shirt drübergezogen. Während die Piraten heranrollten, tat ich weiter so, als wäre ich mit dem Motor beschäftigt. Sie spielten laute Musik, eine Party auf Rädern. Schrille E-Gitarren kreischten, als der erste Truck hielt.
Der Wind ließ nach, und der Staub legte sich ein wenig. Ich wandte mich von meinem Wagen ab und sah mit übertrieben gespielter Überraschung zu dem Truck auf. Dabei setzte ich das dämlichste Grinsen aller Zeiten auf und stieß einen möglichst fröhlichen Schrei aus. Benimm dich, als wäre alles bestens, das war mein Plan.
Jeder dieser tankwagenartigen Trucks verfügte über acht Räder und ein solides Gehäuse, dazu Waffen, die wie dicke Stacheln aus dem Dach und an den Seiten hervorragten. Mein Blick glitt über die monströsen Reifen mit dem dicken Profil, die Graffiti und die getönten Scheiben.
Die Musik verstummte, die Motoren keuchten, dann war alles still.
Wild winkend stapfte ich zu dem Truck, der mir am nächsten war. Als ich mich auf Höhe der Kabine befand, flogen die Türen auf, und ich sah nur noch Beine.
Straffe Schenkel. Verdammt stark und verdammt hübsch. Das Mädchen sprang aus der Kabine und musterte mich herablassend. Ihre Nase war offenbar mal gebrochen worden.
Hat man einen Piraten gesehen, hat man sie alle gesehen. Irokesenschnitte und Gummistiefel, lange Haare und hohe Absätze. Sie war höchstens ein paar Jahre älter als ich, aber ihre Augen spiegelten sozusagen ihren wahren Kilometerstand wider. Über ihrer Schulter hing ein Gewehr, und an ihrem Hals baumelte ungenutzt eine Schutzbrille, als würde der Staub sie überhaupt nicht stören.
»Ist dein Wagen kaputt?«, fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie mich aufmerksam musterte.
»Der Spannungswandler.« Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich glaube, die Sicherung ist hin.«
»Wo willst du hin?«
»Vega.«
»Ganz allein?«
»Wieso? Willst du mitkommen?« Ich schob meine Brille hoch und blinzelte gegen den Staub an, als könnte ich mit ihr mithalten. »Etwas Gesellschaft wäre nicht schlecht.«
Die Piratin legte den Kopf zurück und lachte so heftig, dass ihre Brüste unter der flauschigen pinken Weste hüpften. Dann trat sie dicht vor mich und hob mein Shirt an. »Und was soll das sein?«
»Das ist eine Nagelpistole.«
»Trägst du die immer so im Hosenbund mit dir rum?«
»Nicht immer.«
»Bist wohl ein Witzbold, was?«
»Bin einfach nur liegen geblieben, Schwester«, erwiderte ich. »Habt ihr vielleicht Ersatzteile, die ihr eintauschen wollt?«
»Warum? Was hast du denn da hinten drin?«
Einer der Trucks hupte, und durch den Staub drangen Stimmen herüber. Doch das Mädchen hob nur eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie öffnete die Heckklappe und musterte meine Werkzeugtasche und die verstreuten Popcornschachteln. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich genau die richtige Menge drin gelassen hatte, damit es realistisch aussah. Ein bisschen Essen. Ein Reservekanister.
»Nimm den da.« Sie zeigte auf den Sprit.
»Wozu denn?«
»Den nimmst du mit. Und deine Werkzeuge.«
Ich griff nach der Nagelpistole. Plötzlich hatte ich Panik. Ich versuchte, die Pistole hochzureißen und auf das Mädchen anzulegen, aber die Piratin rammte mir das Knie in die Brust, und auf einmal wurden meine Arme ganz schwach. Blitzschnell hob sie die Nagelpistole auf, drückte sie gegen meinen Arm und versenkte einen Nagel in meinem Fleisch. Mir blieb nicht mal genug Zeit, um zu schreien.
Taumelnd wich ich zurück. Fiel auf den Hintern. Mein Arm brannte, als
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