Der eiserne Wald
wir in den Plantagen Rast gemacht und neben der Straße unter den Maisstauden gecampt. Es war mitten im Winter gewesen, die beste Zeit, um sie zu durchqueren, und Pa hatte im Schnee gegraben und eine der Pflanzen ausgerissen, um mir die Wurzeln zu zeigen, die sich tief ins Erdreich bohrten. Er erklärte mir, dass die Wurzeln eines Baumes bis zu einem Kilometer weit in die Erde hineinreichen konnten, dass Mais dagegen gar nichts war, nur der Glückstreffer einiger Leute, die nichts anderes getan hatten, als die Natur auszutricksen. Aber die Natur hatte wohl zuletzt gelacht. Wenn man eine nicht enden wollende Heuschreckenplage, die alles fraß, was sie zu Gesicht bekam, lustig finden konnte. Das weiß ich natürlich nicht. Aber diese Leute hatten ihren Plan, den Mais in etwas absolut Unzerstörbares zu verwandeln, so gut in die Tat umgesetzt, dass er immer noch existierte. Nahrung, Sprit und Goldmine für jene, denen er gehörte.
Die Maisstengel hoben sich schwarz vom Himmel ab, als die Sonne noch tiefer sank. Genau an der Stelle, wo die Ebene in Felder überging, lenkte ich den Wagen an den Straßenrand.
Wir stiegen aus, die Füße im Dreck, aber den Blick nur auf die staubige Mauer aus Mais gerichtet. Zehn Meter hohe Pflanzen.
GenTech hatte den Mais so designt, dass er Frost und Trockenheit genauso aushielt wie starken Wind und hohe Temperaturen. Mann, wenn die Plantagen überflutet würden, wüchsen dem Mais wahrscheinlich auch noch Arme, damit er schwimmen konnte. Das einzige Lebewesen, das die Heuschrecken nicht fressen konnten, das Einzige, was nach der Großen Dunkelheit wieder gewachsen war. Und jetzt war es nicht mehr totzukriegen. Das Einzige, worüber sich GenTech noch Gedanken machen musste, waren die Wilderer, aber es war schwer vorstellbar, dass die einen sonderlich großen Schaden anrichteten. Sie hockten hauptsächlich in ihren unterirdischen Kolonien, weit weg von den Heuschrecken und den Agenten, geschützt vor der Sonne.
Die Pflanzen hier am Rand waren voll ausgewachsen und fast reif. Oben an der Spitze konnte man zwischen den dicken, raschelnden Blättern die größten Kolben mit bloßem Auge erkennen. Eine Woche noch, dann würde GenTech die Häcksler losschicken, diese Ernte einfahren und die nächste aussäen.
Wegen des violetten Logos auf den Körnern kann man gestohlenen Mais nicht anbauen. Wenn die Leute Mais stehlen, dann essen sie ihn. Hungrige Leute. Leute wie wir.
»Am Rand der Plantage ist es am sichersten«, erklärte uns Crow. »Die Heuschrecken nisten weiter drinnen, sie halten sich in der Mitte. Und die Agenten meinen, die Leute hätten nicht den Mumm, so offen zu wildern.«
»Und, wie sieht der Plan aus?«, fragte ich genervt, weil Crow sich als Experte aufspielte.
»Welcher Plan?«, lachte Crow. »Im Moment brauchen wir nur ein Messer.«
Alpha hatte eine entsprechende Klinge in ihrem Stiefel, und so schoben wir uns zwischen die ersten Reihen und suchten nach Essen. Die Stauden quetschten uns regelrecht zusammen, weil man sie so verdammt eng nebeneinander gepflanzt hatte. Unter dem Staub waren die Blätter grün und knackig. Als ich gegen einen der Stengel klopfte, ertönte ein hohles Geräusch wie von einer Plastikröhre. Es fühlte sich nicht sonderlich lebendig an.
Alpha kletterte auf Crows Rücken und hockte sich auf seine Schultern, dann säbelte sie an einer der Stauden herum. Ein wahrer Staubregen ging auf sie nieder. Crow umfasste mit seinen Riesenhänden ihre schlanken Oberschenkel, damit sie nicht runterfiel. Beim Anblick seiner Finger auf ihrer Haut packte mich ein seltsames Gefühl.
»Geht das nicht etwas schneller?«, rief ich zu ihr rauf.
»Ich mache so schnell ich kann, Freundchen.«
»Du solltest besser Wache halten, kleiner Mann«, mischte sich Crow ein. »Draußen beim Wagen. Wenn wir alle hier drin hocken, bemerken wir die Agenten bestimmt nicht.«
Er hatte recht, aber es nervte mich, das zuzugeben. Es nervte mich auch, dass er mich ständig kleiner Mann nannte. Kleiner Mann? Arschloch. Wir können schließlich nicht alle zwei Meter große Wächter sein.
Mühsam kämpfte ich mich zwischen den Pflanzen hindurch. Die blöden Blätter waren voller Sand und schlugen mir immer wieder ins Gesicht. Ich war schon fast durch, als ich plötzlich über Sal stolperte.
Der Junge hockte auf allen vieren und kaute auf einem Stengel herum. Wahrscheinlich wollte er ihn essen, kam allerdings nicht sonderlich weit. »Ich hab solchen Hunger«, jammerte er, hielt kurz
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