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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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immer kein Gesicht erkennen. Mit einer Hand griff ich mir an den Rücken, als wollte ich mich kratzen, tastete aber in Wirklichkeit nach meiner Pistole. Dann schob ich mich einen Schritt näher heran. Inzwischen schwitzte ich wie verrückt, und zusammen mit dem flauen Gefühl in meinem Magen und dem fürchterlichen Gestank, der zu mir herüberwehte, sorgte das dafür, dass ich mich wieder fast so schlimm fühlte wie damals im Schlammpferch, als mich das Fieber gepackt hatte.
    Gerade wollte ich etwas sagen, aber bevor ich ein Wort herausbrachte, schob sich ruckartig das Gesicht des Fahrers ins Licht.
    Seine Haut war fast grün, und seine Augen wirkten milchig. Noch dazu war sein Gesicht von Narben übersät, die aussahen wie schimmelige Maiskörner. Er versuchte zu sprechen, aber sein Mund war voller Speichel, und seine Lippen waren aufgerissen und bluteten.
    »Heilige Scheiße«, flüsterte ich.
    Dann rief ich nach Alpha.
    Sie kam angerannt, während ich mir das Shirt vor das Gesicht zog und näher an den Geländewagen herantrat. Vorsichtig musterte ich den Körper des Mannes: Seine Kleidung war schweißnass, der rechte Arm endete am Ellbogen. Er hatte seinen Ärmel unter dem Stumpf abgebunden. Der Stoff war schwarz von Blut und tröpfelte leicht. In diesem Moment hätte ich fast gekotzt, denn das alles war noch nichts im Vergleich zu seinem Hals. Auf einer Seite war die Haut völlig abgefressen, so dass der Muskel freilag. Kleine Knochenstücke ragten aus der Wunde hervor.
    Alpha stöhnte hinter mir.
    »Was ist denn?«, kreischte Sal vom Wagen herüber. »Was gibt es da zu sehen?«
    »Nichts«, rief ich. »Komm bloß nicht raus.«
    Crow war natürlich schon unterwegs.
    Als er den Gestank wahrnahm, schrie er auf, doch dann klang es eher so, als würde er lachen. »Nicht schlecht«, rief er, als er die Türen des Geländewagens aufriss. »Scheint unser Glückstag zu sein.«
    »Glückstag?«, murmelte ich und starrte die Leichen an, die sich auf der Rückbank stapelten. Das war wohl die Familie des Mannes. Drei kleine Körper und ein großer. Nichts mehr übrig, was man hätte bestatten können, nur noch Knochen und vereinzelte Haarbüschel.
    »Allerdings, kleiner Mann, Glückstag.« Crow hielt sich die Nase zu und schloss mit einem Knall die Autotür. »So kriegen wir neue Räder und müssen dafür nicht einmal jemanden umbringen.«
    Er hatte recht. Die Räder konnten wir nehmen, den Geländewagen allerdings nicht, verpestet und voller Tod wie er war. Doch als der Mann den Motor wieder anließ, um weiter auf sein unbekanntes Ziel zuzusteuern, versetzte mir Crow einen Stoß.
    »War wohl etwas voreilig«, sagte er. »Darum solltest du dich kümmern.«
    Ich riss die Pistole aus meinem Hosenbund. Aber weiter kam ich nicht. Klar, mit der Nagelpistole hatte ich schon oft herumgefuchtelt und sogar einen von Harvests Männern damit erledigt, aber es brauchte doch etwas mehr, um jetzt kaltblütig auf den Abzug zu drücken. Und plötzlich musste ich daran denken, was mein Vater gesagt hatte. Dass ich ein Konstrukteur sei, kein Kämpfer.
    »Komm schon, Freundchen.« Alpha schob sich an mir vorbei und jagte dem Fahrer eine Kugel in den Schädel. »Wir erlösen ihn doch nur von seinen Leiden.«
    Sie hatte recht. Der Typ war sowieso am Ende gewesen. Aber ihn umzubringen wog dadurch nicht weniger schwer. Er war doch einfach nur auf dieser Straße unterwegs gewesen. Hatte nur versucht, das Richtige zu tun. Und jetzt hing er über seinem Lenkrad. Tot.
    »Was ist mit denen passiert?«, flüsterte Sal, als er angerannt kam. Mit einer Hand klammerte er sich an mir fest, und ihm wurden die Knie weich, als er in den Geländewagen schaute.
    »Heuschrecken«, erklärte Crow.
    »Eigentlich müsste es zu kalt für sie sein«, sagte ich. »Jetzt ist doch die Zeit, in der man rüberkommt.«
    »
Eigentlich,
kleiner Mann.« Crow öffnete die Fahrertür und kurbelte das Fenster hoch. Dann knallte er die Tür zu, um den Gestank einzusperren. »Aber
eigentlich
bedeutet gar nichts.«
    Er hatte recht. Das hieß gar nichts.
    Einen Moment später kotzte mir Sal auf die Stiefel.

Kapitel 34
    D en Rest des Tages verbrachte ich damit, die Räder des Geländewagens abzumontieren und sie an meinem Wagen anzubringen. Auf dem Anhänger des Toten fand ich sogar noch zwei Ersatzreifen, die ich auf dem Dach festzurrte. Das Wasser in ihrem Tank roch muffig und schmeckte furchtbar, aber es sorgte dafür, dass wir nicht allzu durstig wurden.
    Die Sonne sank Richtung

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