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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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inne und sah zu mir hoch. Ihm lief Speichel aus dem Mund.
    »Verlauf dich bloß nicht hier drin«, erwiderte ich, stieg über ihn hinweg und schob mich nach draußen.
    Hina war nicht mitgekommen ins Feld. Sie saß im Staub, hatte die Arme um die Knie geschlungen und den Kopf auf die Schulter gestützt. Sie hatte dem Sonnenuntergang den Rücken zugewandt und blickte nach Osten, wo der Himmel bereits schwarz war.
    Ich setzte mich zu ihr, den Mais im Rücken.
    Als ich die Gänsehaut auf Hinas Schultern bemerkte, überlegte ich kurz, mein Shirt auszuziehen und es ihr zu geben, aber ich hatte mir ja die Borke umgebunden, also ließ ich es lieber an. Sie bibberte in ihrem dünnen Oberteil, und ihr Blick war so distanziert, dass es mich unwillkürlich an meinen Vater erinnerte. Diesen Blick bekam man nur, wenn man – egal, worauf man in diesem Moment starrte – innerlich gerade in einer ganz anderen Welt war.
    »Bald gibt es Essen«, sagte ich. Hina erwiderte nichts, aber ich glaubte zu sehen, wie sie kurz zum Wagen hinüberspähte. »Ich weiß«, fuhr ich fort. »Wird ganz schön eng werden. Sobald wir in der Plantage sind, können wir den Wagen nicht mehr verlassen. Aber wenn alles gutgeht, müssten wir die Felder in ungefähr einem Tag hinter uns haben.«
    »Und dann?«, fragte sie. Das überraschte mich. Sie sprach so selten, dass mir ihre Stimme immer noch fremd vorkam.
    »Tja, ich schätze mal, dann werden wir uns auf die Suche nach deinen Bäumen machen.«
    Sie lächelte, aber es wirkte verbittert. »Das sind nicht meine Bäume«, sagte sie und legte beide Hände auf ihren Bauch.
    »Ist dir inzwischen noch etwas eingefallen?«, fragte ich vorsichtig.
    »Was denn?«
    »Etwas über meinen alten Herrn.«
    »Nur Kleinigkeiten.« Sie blickte wieder nach Osten und kratzte sich an den Armen. »Ohne die Erinnerungskiste des Zigeuners bin ich wohl für nichts zu gebrauchen.«
    Ich sah, wie sie dreimal blinzelte, dann rollte eine Träne über ihre Wange. Vielleicht sollte ich etwas sagen. Oder etwas tun. Aber ich wusste nicht, was.
    »Finde deinen Vater«, flüsterte Hina. »Dann kannst du ihn fragen, was passiert ist.« Ich spürte, wie sie sich an mich lehnte, und wünschte mir plötzlich, ich hätte dieses Foto von Zee aufgehoben, um es ihr zu geben. Denn offenbar war das Gehirn dieser Frau so zuverlässig wie ein kaputtes Sieb. Doch ich blieb tatenlos sitzen und lehnte mich an sie, bis die anderen krachend durch den Mais gestapft kamen.
    Hina versteifte sich, und ich sprang auf und drehte mich um. Alpha trat zwischen den Pflanzen hervor, mit einer ganzen Ladung Mais im Arm. Crow folgte ihr. Er grinste dämlich.
    »Heute Abend wird es ein Festmahl geben, Leute«, rief er dröhnend. »Miss Alpha ist kein Pirat mehr. Sie ist jetzt ein Wilderer.«

Kapitel 36
    B ereit für den Süden?«, fragte Crow, als ich mich hinter das Steuer setzte und den Motor anließ.
    »Süden?«
    »Fahr immer am Rand entlang, bis du die vierte Abzweigung siehst. Da fahren wir nach Westen und suchen uns dann einen Weg durch das Labyrinth.«
    »Den am wenigsten bewachten Weg.«
    »Ganz genau, kleiner Mann. Der alte Crow wird euch mittendurch führen.«
    Ich wendete den Wagen, der kurz im Sand einsank, als ich ihn in Richtung Süden steuerte. Dann machte ich die Scheinwerfer an, aber Crow bestand darauf, dass ich sie wieder ausschaltete.
    »Immer schön langsam«, sagte er, lehnte sich nach vorne und spähte über meine Schulter hinweg durch die Windschutzscheibe. »Wir werden die Feldwege auf jeden Fall sehen, die Nacht ist klar genug.«
    Schweigend fuhren wir durch die Dunkelheit, außer dem leisen Brummen des Motors war nichts zu hören. Richtung Süden zu fahren fühlte sich an, als ginge es einen Hügel hinunter.
    Der erste Feldweg barg eine Überraschung.
    »Der ist ja riesig«, sagte ich, als eine breite Straße zwischen den Pflanzen auftauchte. Sie war weder geteert noch befestigt, und rechts und links ragten die Maisstauden auf.
    »Sie müssen so groß sein wegen der Häcksler«, erklärte Crow. »Die müssen zu Beginn der Ernte ja richtig positioniert werden.«
    »Sind die Häcksler echt so groß?« Ich hatte Geschichten darüber gehört, aber dieser Feldweg war wirklich gigantisch.
    »Oh, ja, sie sind enorm«, nickte Crow. »Und sie werden jedes Jahr größer.«
    Stunden vergingen. Ich zählte noch zwei Abzweigungen, an der dritten bog ich dann rechts ab, so dass wir wieder nach Westen fuhren.
    »Los geht’s«, sagte Crow. »Die Ebene

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