Der eiskalte Himmel - Roman
noch Frack trägt, sondern eine seltsame Strickjacke.
Zu mir, kaum dass wir auÃer Hörweite sind, sagt Bakie: »Himmelheiliger Arsch, er wird mich rausschmeiÃen, weiÃt du das? Ich werde den besten Job meines Lebens verlieren, nur weil du einen Holzfisch einmal um die ganze Welt transportierst.«
»Wirst du nicht. Und wenn, findest du was anderes. Komm weiter.«
»Auf Südgeorgien hätte ich das Ding verbrennen können. Den Zettel lesen und dann beides ab in den Kocher, Schluss. Sag mir mal, wieso ich das nicht gemacht habe.«
»Weil ich dir den Arm abgerissen hätte, und du weiÃt, welchen.«
»Und du weiÃt hoffentlich, was du zu tun hast. Wo ist er?«
Ich klopfe mir aufs Herz, und mein Herz antwortet mit Pochen.
»Fein. Dann hol ihn raus.«
»Deshalb sind wir hier.«
Die Absperrung kann ich noch nicht erkennen, aber überall stehen schon Uniformen herum, Air-Force-Offiziere, Posaunenbläser. Je weiter wir zu den Flugzeugen kommen, umso weniger Frauen sieht man, dafür aber sind diejenigen, die es trotz des Morastes bis nach hier ganz vorn gezogen hat, von ausgesuchter Eleganz. Sie müssen getragen worden sein, man sieht nicht den kleinsten Kotspritzer auf einem Rock, nur da und dort ein paar Knitterfalten vom langen Sitzen im Automobil.
Mit einer derartigen Unterkörperumpanzerung und einem riesigen, schief aufgesetzten Flügelhut, der das halbe Gesicht verdeckt, oder in einer erdbeerfarbenen Jacke mit langen Bändern und Metallschnallen auf dem Rücken kann ich mir Ennid nicht vorstellen. Ich halte nach einem geblümten Sommerkleid Ausschau.
Doch dafür, natürlich, ist es zu kalt. Wir haben Oktober. Zweieinhalb Jahre habe ich sie nicht mehr gesehen, und da steht sie zwischen lauter Männern in Overall oder Uniform vor einem riesigen orangeroten Flugzeug und hat denselben Regenmantel an wie damals im Büro meines Vaters.
Sie trägt das Haar länger. Ihre kühle, angespannte Miene, sie erkenne ich wieder. Nein, schieÃt es mir durch den Kopf, und etwas in mir bäumt sich auf, halb panisch und halb rebellisch. Nein, sie hat sich nicht verändert. Nur die Zeit ist weitergerannt und hat sie zur Frau gemacht. Nein, sie liebt dieses groÃe dürre Kind mit dieser lächerlichen Fliegermütze nicht, wie auch! Sie hat noch dasselbe Gesicht, dasselbe Gesicht, das ich vor mir sah, wenn ich aufs Eis blickte oder im Dunkeln auf meiner Schmelzwassermatte lag. Ich habe sie nicht verloren, nein. Nichts und niemanden darf man jemals verloren geben, Shackleton hat Recht, also warum ausgerechnet ich mein Mädchen, warum ich Ennid?
Beides, meine Angst, sie verloren zu haben, und mein Widerstand dagegen, verschwindet sofort, als sich unsere Blicke treffen. Sie steht keine zehn Meter von mir entfernt jenseits der Absperrung und hält sich fest am Arm des einäugigen Fliegers, der in den Krieg zieht und den sie liebt. Es ist ein Blicketauschen zweier Fremder. Deshalb ist sie noch schöner als in meiner Erinnerung, sie hat die Schönheit angenommen, die Fremden gehört. Mich jedenfalls, mit meinem Bart, meiner dem Frost geopferten Haut, erkennt sie nicht einmal wieder.
Wegrennen, ein andermal wiederkommen mit neugewonnener Kraft, wenn ich ihr irgendwie wehtun kann, anstatt diese sinnlose Sehnsucht zu erleiden.
Ich binâs, das Ãffchen!
Neben mir Bakewell sagt nichts, obwohl er merkt, was mit mir vor sich geht. Das also ist sie.
»Gib her.« Er hält mir die flache Hand hin.
»Nein«, sage ich, auch wenn die Versuchung groà ist. Ich hole den Fisch heraus, er hat fast alle Farbe verloren.
Unter der Absperrung hindurchgeklettert, sind es bloà noch ein paar Schritte. Ein Mechaniker, wie Herman einer war, steht oben auf der Leiter an Mannocks Flugzeug und schlieÃt eine Klappe. Auf der Klappe steht sie, die Wahrheit, der Name der Liebe, dort steht in sonnengelber Schrift: DIE FLIEGENDE ENNID .
ENNIDURANCE habe ich, für mich, unser Schiff genannt.
Du fliegst mit nach Frankreich, sage ich zu meinem Fisch. Du warst am Ende der Welt, da kannst du jetzt auch in den Krieg fliegen.
Und ich bin noch nicht ganz bei ihm, da rufe ich schon.
»Mannock! Ich habe etwas für Sie!«
Keiner von uns, auch Ennid nicht, sieht Mickie Mannock wieder.
Gern hätte ich diesem Jungen, der mich da auf den Festwiesen von Newport mit seinem einen Auge voller neugierigem Wohlwollen ansah und der mir doch
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