Der Elfenthron - Brennan, H: Elfenthron
verändert.«
»Ja, aber würde es dir helfen?«
»Oh, vermutlich«, sagte Henry. »Andere Leute hat sie immer sehr freundlich behandelt. Nur auf mich ist sie permanent losgegangen. Und auf Dad.«
Blue holte ein Stück Papier aus der Tasche und faltete es auseinander, sodass eine winzige weiße Tablette sichtbar wurde, wie die homöopathischen Kügelchen, die sein Vater immer gegen die Migräne genommen hatte. »Nimm die hier.«
Misstrauisch starrte Henry auf die Tablette. »Was ist das?«
»Das ist eine Verformungstablette. Ich habe sie für Mella besorgt – heutzutage nehmen Teenies die oft. Sie verändert das Gesicht. Zeitweilig. Die jungen Leute nehmen sie zum Spaß, als würden sie eine Maske aufsetzen. Im Elfenreich kann man damit natürlich niemanden reinlegen, aber in dieser Welt ist niemand Magie gewöhnt. Deine Mutter würde dich bestimmt nicht erkennen. Es sei denn, sie erkennt deine Stimme, deinen Gang oder so etwas.«
»Ich könnte meine Stimme verstellen und komisch gehen«, sagte Henry prompt. »Meinst du das ernst? Wird die wirklich mein Gesicht verändern?«
»Ja, natürlich.«
»Wie lange hält die Wirkung an?«
»Nur ein paar Stunden. Höchstens drei.«
»Wie lange dauert es, bis die Wirkung einsetzt?«
»Die Veränderung tritt allmählich ein. Dauert vielleicht fünf Minuten, bei einigen Leuten vielleicht eine oder zwei Minuten länger. Aber wenn du sie jetzt nimmst, siehst du bestimmt ganz anders aus, wenn wir da ankommen.«
»Sehe ich besser aus oder eher hässlich?«
»Ach, Henry! Das ist doch völlig egal.«
Henry schluckte die Tablette. Er fuhr sich übers Gesicht, reckte dann den Hals, um sich im Rückspiegel zu mustern. »Wie sehe ich aus?«
»Wie du selbst!«, zischte Blue. »Ich sagte doch schon, die Veränderung tritt allmählich ein. In den nächsten drei Minuten zumindest wirst du gar nichts bemerken.«
»Sag mir Bescheid, wenn irgendwas passiert.«
Das Taxi verließ die Stadt und fuhr gemächlich eine von Bäumen gesäumte Straße entlang. Henry tastete wieder sein Gesicht ab, als der Fahrer die Glasscheibe zurückschob und fragte: »Hier irgendwo, oder, Chef?«
Henry hörte auf, an seinem Gesicht herumzufummeln, und sah prüfend auf die Straße. »Die nächste rechts«, sagte er. Ängstlich blickte er Blue an. »Hat es funktioniert?«
»Wunderbar«, sagte Blue. Sie lächelte spitzbübisch. »Deine eigene Mutter würde dich nicht erkennen.«
Der Fahrer bog nach rechts ab und trat dann auf die Bremse. »Mensch!«, keuchte er. »Geben uns überhaupt keine Vorwarnung oder was, Kumpel?«
Die Straße vor ihnen war abgesperrt und nicht weniger als drei Polizeiwagen parkten neben der Absperrung. Ein Polizist in Uniform löste sich von einer Gruppe seiner Kollegen und schlenderte zu ihnen hinüber.
»Was ist denn los, Chef?«, fragte der Fahrer.
Der Polizist beugte sich hinunter, warf einen Blick auf Blue und Henry und sagte dann zum Fahrer: »Ich fürchte, Sie können da nicht weiterfahren.«
»Das sehe ich. Was ist denn los?«
Der Polizist blickte wieder Blue und Henry an. »Wohnt einer von Ihnen beiden dort?«
Henry schüttelte sofort den Kopf. »Nein. Keiner.« Er dachte, Blue könnte vielleicht etwas sagen und kniff sie ins Bein, damit sie den Mund hielt.
Der Wachtmeister wirkte jetzt etwas gelöster. »Weiter oben ist ein Haus eingestürzt«, sagte er zum Fahrer. »Überall auf der Straße sind Trümmer. Bis sie das geräumt haben, kommt man nicht durch.«
»Meine Herren«, murmelte der Fahrer. »Die bauen die Häuser auch nicht mehr so wie früher.«
»Ist nicht einfach eingestürzt«, sagte der Polizist. »Es gab eine Explosion. Die Jungs von der Feuerwehr glauben, dass es vielleicht die Gasleitung war, aber ich habe noch nie gesehen, dass ein Leck in der Gasleitung eine solche Zerstörung nach sich gezogen hat. Das ganze Haus ist nur noch ein Haufen Schutt. Als hätte eine Bombe eingeschlagen.«
»Was ist mit meinen Fahrgästen?«, fragte der Fahrer und deutete mit einem Kopfnicken auf Blue und Henry. »Können sie zu Fuß weitergehen? Sie wollen zu einem der Häuser an der Straße.«
Der Polizist steckte den Kopf durch das Fenster. »Welches denn?«, fragte er Henry.
»Chatleigh«
, sagte Henry. Er schluckte. »Es hat keine Hausnummer.« Er hatte ein ganz schlechtes Gefühl dabei, tatsächlich ein sehr schlechtes Gefühl.
»Haben Sie oder die junge Dame Freunde in
Chatleigh
, Sir?«
»Meine Mutter wohnt dort«, sagte Henry. »Warum fragen Sie,
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