Der Engel mit den Eisaugen
ein
cold case.
Den beiden wurde der Sizilianer Michele Giuttari zugeteilt, ein Kommissar, der zu diesem Zeitpunkt keine Aufgabe innehatte.
In Florenz bat Giuttari um ein paar Mitarbeiter und bekam ungefähr ein halbes Dutzend zugewiesen. Statt im Polizeipräsidium brachte er sie in einem unbewohnten Gebäude am nördlichen Stadtrand von Florenz unter, das der Polizei gehörte.
Giuttari war Vigna überaus nützlich: Genau an dem Tag, als Pacciani freigesprochen wurde, nahm er zwei seiner angeblichen Komplizen fest, die in Wirklichkeit nichts weiter waren als Dorfdeppen: zwei geistesgestörte Trunkenbolde, von denen einer sich selbst und andere belastete, und das ohne jeden Beweis.
Die Ermittlungen waren gerettet. Im Oktober desselben Jahres wurde Vigna Antimafia-Staatsanwalt.
Eigentlich wäre die Aufgabe von Kommissar Giuttari damit erledigt gewesen. Doch er behauptete, dass es weitere Hintermänner gebe: einflussreiche Persönlichkeiten, die hinter den brutalen Morden stünden und vielleicht sogar dem Satanismus anhingen. So entstand die GIDES (Gruppo Investigativo Delitti Seriali), eine Art Sonderkommission für serielle Straftaten, die sich ausschließlich auf die Verbrechen des Monsters konzentrierte.
Bei der Fahndung nach Hintermännern hatten die Ermittler in dem Staatsanwalt aus Perugia eine wertvolle und wichtige Stütze. Mignini war überzeugt, dass sich die Verbrechen des Monsters in der umbrischen Stadt fortsetzten. Daher hatte er parallele Ermittlungen eingeleitet, in die auch ich unvermutet hineingeriet.
Mignini zufolge hatte ich versucht, die Untersuchungen auf falsche Fährten zu lenken, indem ich in meinen Artikeln und Fernsehberichten Thesen darlegte, die sich von seinen unterschieden. Und wenn ich ihn schon in die Irre führen wollte, so seine Argumentation, dann doch wohl nur, um von dem wachsenden Verdacht gegen mich abzulenken. Dem Verdacht nämlich, einer der Hintermänner des Monsters zu sein, wenn nicht gar das Monster selbst.
Doug Preston, der wenige Wochen zuvor in Perugia verhört und wegen Meineids und Mittäterschaft auf die Liste der Beschuldigten gesetzt worden war, wurde aufgefordert, Italien umgehend zu verlassen, wenn er nicht ebenfalls im Gefängnis landen wolle. Doug ließ sich nicht zweimal bitten und saß bereits am nächsten Morgen mit seiner Familie in einem Flugzeug nach New York. Zu Hause angekommen, setzte er alle Hebel in Bewegung, um Zeitungen und Vereinigungen wie die CPJ , die sich für die Pressefreiheit einsetzt, aufzurütteln und auf meinen Fall aufmerksam zu machen. Mit Erfolg.
23 Tage verbrachte ich in einer Zelle, die ersten sechs aufgrund meiner »Gefährlichkeit« in Einzelhaft, bis ich schließlich freigelassen wurde und der Oberste Gerichtshof meine Verhaftung, die jeder Grundlage entbehrte, als »gesetzwidrig« bezeichnete.
Doch Mignini gab sich nicht geschlagen: Im Herbst des Jahres 2007 , kurz vor der Ermordung von Meredith Kercher, beschuldigte er mich, der Hintermann eines Mordes zu sein, der in Perugia im Jahr 1985 begangen worden war, und dies wieder im Auftrag der ominösen Rosa Rossa.
Mignini führte die Ermittlungen zu den Verbrechen des Monsters von Florenz unter dem Vorwand fort, der Tod des jungen Arztes Francesco Narducci, der sich 1985 ereignet hatte, stehe mit den florentinischen Morden und der uralten, satanischen Sekte in Verbindung. Einer Sekte, der angeblich seit Jahrhunderten die berühmtesten aristokratischen Familien von Florenz angehören und mittlerweile auch ein großer Teil des Establishments sowie zahlreiche weitere einflussreiche Männer weltweit.
Auch diese Offenbarung stammte von der Frau aus dem Mercedes, die Hunderte von Seiten mit ihren Aussagen füllte. Da sie in den Untersuchungsakten als besonders wichtig eingestuft wurden, mussten sie geheim gehalten werden. Beweise für die Existenz dieser Sekte gab es keine.
Mignini hatte mit Michele Giuttari und seiner Sonderkommission also ausgerechnet den Kommissar eingespannt, der schon in Florenz ermittelt hatte, und damit ein separates Untersuchungsverfahren eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft Florenz versäumte es nicht, ihr Missfallen darüber auszudrücken.
Am 8 . Oktober 1985 , genau einen Monat nach dem letzten Verbrechen des Monsters von Florenz, verschwand Francesco Narducci, ein junger und hervorragender Gastroenterologe, der einer der bekanntesten Familien Perugias angehörte. Er war der Sohn von Professor Ugo und mit Francesca Spagnoli verheiratet, deren
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