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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Familie Perugias berühmte Schokoladenfabrik gegründet hatte.
    An jenem 8 . Oktober hatte sich Francesco Narducci um die Mittagszeit zu seiner Villa in San Feliciano in der Nähe des Trasimener Sees begeben. Er stieg in sein rotes Motorboot, eine Grifo Plaster, warf den 70 - PS -Motor an und entschwand. Zurück ließ er nichts als jede Menge Vermutungen und Klatsch. Fünf Tage später fischte man seine Leiche aus dem Wasser. Hätte man auf die Zeugenaussage des alten Fischers Luigi Dolciami gehört, der den Ermittlern sofort berichtete, was er an jenem Tag beobachtet hatte, hätte der Fall eigentlich keine Rätsel aufgeben müssen. Genau zur Zeit des angenommenen Verschwindens des Arztes hatte der Fischer aus knapp zwanzig Metern Entfernung dessen Boot gesehen und beobachtet, wie der Mann sich hinsetzen wollte, dann aber plötzlich aus seinem Blickfeld verschwand. Da er geglaubt habe, dem Mann sei schlecht geworden, sei er auf das inzwischen leere Boot zugefahren. Er sei an Bord geklettert, habe ein paar Runden gedreht und versucht, den Körper auszumachen, was aufgrund der Strömungen nicht möglich gewesen sei. Zurück an Land, hatte er Alarm geschlagen. Ein Unfall, kein Rätsel.
    Siebzehn Jahre war dies allgemeiner Konsens, so lange, bis die Hellseherin Gabriella Carlizzi – mittlerweile eine Berühmtheit, hatte sie doch die Existenz der Rosa Rossa enthüllt – auch in Perugia intervenierte und Staatsanwalt Mignini erklärte, der Tod des Arztes Narducci gehe ebenfalls auf das Konto der Sekte. Ohne irgendwelche Beweise vorlegen zu können, behauptete sie, der junge Arzt habe der Sekte angehört, ja, er sei sogar der »Wächter der Fetische« gewesen. Doch in letzter Zeit habe er sich in einer Krise befunden; vielleicht, weil er überlegte, vor Gericht auszupacken. Um die drohende Gefahr abzuwenden, habe die Rosa Rossa, der auch Narduccis Vater Ugo und andere Verwandte angehörten, beschlossen, den Arzt aus dem Weg zu räumen.
    Natürlich stand dieser Version die Zeugenaussage des Fischers Luigi Dolciami entgegen. Doch irgendwie konnte auch dieses Faktum übergangen werden, denn seine Aussage verlor sich im Wust von Tausenden und Abertausenden Papieren in den Ermittlungsakten.
    Die Rekonstruktion der mutmaßlichen Ermordung Narduccis wirkte auf viele Leute wenig überzeugend. Der junge Arzt, so behauptete Gabriella Carlizzi, war am 8 . Oktober in eine Falle gelockt worden. Seine Killer, die von mir persönlich angeheuert worden seien, hätten sich mit ihm auf der kleinen Isola Pavese auf dem Trasimener See verabredet. Deshalb sei er in das Boot gestiegen. Die Mörder seien mit einer anderen Leiche aufgetaucht – vermutlich der Leiche eines Abtrünnigen –, um die Tat zu vertuschen. Laut Carlizzi erwürgten sie Narducci und ließen seinen Leichnam verschwinden – wohin, wisse man nicht. Die zweite Leiche sei ins Wasser geworfen und am Grund des Sees verankert worden. Der Anwalt der Familie Narducci, Alfredo Brizioli – auch er nach Ansicht der Carlizzi ein Mitglied der Sekte –, habe sich eine Ausrüstung zugelegt, um fünf Tage später in dem See nach der Leiche zu tauchen und sie aus ihrer Verankerung zu befreien. Auf diese Art sei die Leiche an die Oberfläche gekommen und aus dem Wasser gezogen worden. Dies nur, um zu erklären, weshalb während der Autopsie nicht festgestellt werden konnte, dass der Mann stranguliert wurde. Aus der Tatsache, dass die Leiche ja nun angeblich nicht die von Francesco Narducci gewesen war, folgerten Staatsanwalt Mignini und Kommissar Giuttari, dass alle, die das Gegenteil behaupteten – vom Polizeipräsidenten bis zum Oberst der Carabinieri, vom Rechtsmediziner bis zum Feuerwehrhauptmann –, gelogen hatten, weil auch sie zu den Komplizen gehörten.
    Und so wurden zwanzig Personen, zu denen 2007 noch ich hinzugefügt wurde, wegen Beihilfe zum Verbrechen, Entziehung einer Leiche, Irreführung der Justiz und vieler weiterer Vergehen angeklagt.
    2002 überzeugte Gabriella Carlizzi Mignini und Giuttari, dass sich nicht die Leiche des jungen Arztes in Narduccis Grab befände, sondern der andere Leichnam, der des Unbekannten, den die Killer bei sich gehabt hatten. Daraufhin ordnete Mignini die Exhumierung an. Welche Enttäuschung, als das Grab mit großer Spannung geöffnet wurde: Denn darin lag Francesco Narducci.
    Andere Staatsanwälte und Polizeibeamte hätten hier klein beigegeben, doch nicht diese beiden: Sie behaupteten, man habe den Leichnam zweimal ausgetauscht
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