Der Engel von Santa Marguerita
goß mir das eine Glas tüchtig voll. Als ich es getrunken hatte, brummte der Polizist: „Sie haben Nerven! Jetzt süffeln Sie auch noch, als ob nichts gewesen wäre.“
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, erwiderte ich und goß mir noch einen ein. „Ich weiß überhaupt nicht, was hier gespielt wird.“
„Sie werden’s bald herausgebracht haben, schätze ich.“
Die beiden Whiskys machten mich wieder mobil. Ich vermutete nun, daß mit Collins selber etwas passiert war. Ich versuchte noch mindestens eine halbe Stunde lang, ihm etwas aus der Nase zu ziehen; aber es gelang mir nicht. Dafür hatte ich, als die anderen von drüben kamen, ganz ordentlich einen sitzen.
Zuerst erschien ein mittelgroßer Kerl in Zivil, der ein junges Gesicht, aber kurze, eisgraue Haare hatte. Ich kannte ihn vom Sehen; es war der Distriktsanwalt Timothy O’Sullivan, vor dem mich Phil Marlowe gewarnt hatte. Dann kam ein junger, sehr langer und dürrer Mensch, den ich nicht kannte; und schließlich kam noch ein Polizeileutnant, den ich auch nicht kannte.
Sie bauten sich vor mir auf. O’Sullivan fing an: „Sie heißen Manning, was?“
„Nein“, sagte ich, „ich heiße Marlon, Chester Marlon.“
Er schaute in ein Notizbuch und nickte. „Stimmt auffallend. Warum haben Sie sich unter dem Namen Manning eingeschlichen?“
„Das war mit Lynn Collins so vereinbart.“
„Ah!“ rief der Leutnant dazwischen. „Sie haben ihn also gestern abend gesehen?“
„Nein, — gestern nachmittag. Etwa um sechzehn Uhr.“
O’Sullivan winkte dem Leutnant zu und fragte: „Wo waren Sie gestern abend?“
„Spazieren gefahren.“
Er setzte sich auf den Tisch und schaukelte mit dem Bein. „Na, sagen Sie’s schon! Sie waren drunten in Point Vincente, am Bootshaus.“
„Hm —“, machte ich. „Das scheinen Sie ja schon zu wissen.“
„Und ob wir das wissen! Sie haben Lynn Collins erschossen, ihn ins Boot gesetzt und aufs Meer hinausgejagt.“
„Das hab ich nun wieder nicht getan.“
„Und dann wurden Sie von einem Wachmann der Küstenwache überrascht, als Sie sich gerade das Blut abgewaschen hatten. Als er mißtrauisch wurde, schlugen Sie ihn nieder und flohen.“
„Nein“, sagte ich, „deshalb schlug ich ihn nicht nieder.“
„Sie haben ihn aber niedergeschlagen“, fuhr er triumphierend fort. „Und dann sind Sie mit Ihrem Packard in einem wahnwitzigen Tempo nach Palos Verdes Estates hineingerast.“
„Im Gegenteil“, sagte ich, „ich bin schön langsam zu Fuß gelatscht.“
„Lassen Sie Ihre dummen Reden!“ rief der Leutnant ärgerlich dazwischen. „Der Wachmann hat sich Ihre Nummer gemerkt, ehe er zum Bootshaus kam, und ein Polizist hat Sie unterwegs aufgeschrieben, weil Sie derart gerast sind. Reicht das nicht?“
„Für Sie reicht’s schon“, entgegnete ich.
„Na bitte, — mehr wollte ich ja nicht hören. Warum haben Sie ihn erschossen?“
„Sie wenden sich an die falsche Adresse. Ich möchte selber gern wissen, warum er erschossen wurde.“
„Nun, Sie werden uns nicht mehr lange zum Narren halten, Freundchen!“ Er schaute mich mit einem vernichtenden Blick an, in dem alles drin lag. „Und so was will Detektiv sein! Sollten sich was schämen, Mann! McGowan war nämlich eine große Ausnahme. Er würde sich weiß Gott einen würdigeren Erben und Nachfolger gewünscht haben.“
So — das von der Erbschaft wußten sie also auch schon?
Der Polizist, der mich herüber gebracht hatte, kam herein und sagte: „Es ist das gleiche Reifenprofil, das wir vor dem Bootshaus gefunden haben. Und der Hundekaktus, in den ich heute morgen getreten bin, ist sicherlich von dem Vieh, das er in seinem Wagen hat.“
O’Sullivan war noch etwas eingefallen.
„Sie“, sagte er, „Sie angeblicher Detektiv, — wie wollen Sie’s denn erklären, warum Sie hierher gekommen sind?“
„Gar nicht“, sagte ich, „denn das würden Sie mir doch nicht abnehmen.“
Nun sagte der junge, hagere Kerl auch mal etwas.
„In meinen Wagen!“ befahl er. „Ich nehme ihn mit nach Los Angeles zur Zentrale.“
O’Sullivan lief hochrot an und bekam dicke Adern am Hals.
„Wozu?“ knurrte er. „Das ist ein klarer Fall, das können wir hier unten genausogut erledigen.“
„Vielleicht“, sagte der andere. „Aber ich habe die Order, ihn zur Zentrale zu schaffen. Tut mir leid.“
Der Polizeileutnant hatte weiße Nasenflügel bekommen: und brüllte:
„Einen Dreck haben Sie! Ist nichts als Wichtigtuerei! Einen so klaren
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