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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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trinken«, rief Werner dann von seinem Hocker am Tresen aus.
    Minute für Minute stieg die Spannung, und als schließlich Jacob Weinstein, der Küster des Dorfes, hereinkam und verkündete, er habe den Doktor soeben mit einer Babytragetasche sein Haus verlassen sehen, wurden schnell noch ein paar Wetten über Geschlecht und Haarfarbe der Kinder abgeschlossen, vor allem aber über die Größe des Spalts in ihren Gesichtern.
    »Schreib: achtzehn Zentimeter«, sagte der lange Meekers zu seinem Vater, der mit einem Stift in der Hand über einen Bierdeckel gebeugt saß. »Echt, Papa! Wenn ich du wäre, würde ich mindestens zwanzig Francs setzen.«
    »Wenn ich verliere, zieh ich’s dir vom Taschengeld ab«, sagte sein Vater, kritzelte seine Zahl hin und schob den Bierdeckel samt einem Zwanzig-Francs-Stück dem Wirt zu, der beides unter die Geldlade seiner Kasse steckte.
     
    Doktor Hoppe, der seinen Kittel gegen einen langen, grauen Mantel eingetauscht hatte, kam rückwärts ins »Terminus« herein, sodass die Dorfbewohner zunächst seinen gebogenen Rücken und dann erst die blaue Babytragetasche zu sehen bekamen, die er, nachdem er durch die Tür war, nun mit gestreckten Armen vor sich her trug. Obwohl alle gesehen hatten, wie viel Mühe es ihn gekostet hatte, das breite Ding durch die Türöffnung zu manövrieren, hatte niemand einen Finger gerührt, um ihm zu helfen. Erst als er sich drinnen etwas verlegen umsah, wo er die schwere Trage abstellen konnte, schnellte Werner Bayer vor. Rasch räumte er ein paar Gläser ab und wies mit einer weit ausholenden Geste auf die freie Fläche. Umgehend sah der am Nebentisch sitzende Florent Keuning zu, dass er woanders ein Plätzchen fand.
    »Hier können Sie das Ding abstellen«, sagte Werner.
    »Vielen Dank«, entgegnete der Doktor.
    Wieder tauschten die Anwesenden befremdete Blicke aus, als sie seine Stimme vernahmen. Der Vater des langen Meekers beugte sich zu Jacob Weinstein, der diese Stimme gerade zum ersten Mal gehört hatte, und flüsterte ihm ins Ohr: »Das kommt durch seine Hasenscharte. Er zieht falsche Luft.«
    Der Küster nickte, obwohl er Meekers kaum verstanden hatte, so schwerhörig war er. Mit offenem Mund verfolgte er jede Bewegung des Doktors, der sich über die Babytrage bog und anfing, den regennassen Plastikschutz vom Dach zu lösen.
    »Was möchten Sie trinken, Herr Doktor?«, fragte Werner.
    »Wasser.«
    »Wasser?«
    Der Doktor nickte.
    »René, ein Glas Wasser für den Herrn Doktor. Und für äh …« Zögernd deutete er auf die Tragetasche mit den Babys.
    »Sie brauchen nichts«, sagte der Doktor, als wollte er Rechenschaft ablegen, »ich sorge gut für sie.«
    »Das bezweifle ich keineswegs«, sagte Werner, wobei der gezwungene Tonfall kaum zu überhören war. Nur der Doktor bemerkte ihn offenbar nicht, denn er zeigte keine Reaktion. Er beugte sich über die Tragetasche, klappte das Dach nach hinten und schlug das Spanntuch am Kopfende vollständig zur Seite. Die Schaulustigen in den ersten Reihen wichen einen Schritt zurück oder schoben schnell ihre Stühle nach hinten. Nun versuchten die weiter entfernt Stehenden, einen Blick zu erhaschen, und stellten sich dafür sogar auf die Zehenspitzen. Aber niemandem gelang es, über den Rand zu spähen.
    Der Doktor blickte zu Boden und wippte leicht auf den Zehenspitzen. Abgesehen von dem Rauschen des alten Ventilators an der Decke war es mucksmäuschenstill. Es war eine unangenehme Stille, und Werner spürte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren.
    »He, Werner, gib dem Doktor mal sein Glas«, rief René Moresnet und hielt ihm ein Glas Wasser hin. Alle Augenpaare verfolgten, wie Werner es dem Doktor weiterreichte, der es mit einem höflichen Kopfnicken entgegennahm.
    »Vielen Dank«, sagte er und trat einen Schritt beiseite, wodurch er den Weg zu der Babytrage frei gab. »Kommen Sie nur näher, Herr Bayer.«
    Werner trat zögerlich einen Schritt vor.
    »Sie sind so ruhig«, bemerkte er. »Schlafen sie?«
    »Nein, nein, sie sind wach«, antwortete der Doktor mit einem flüchtigen Blick auf die Kinder.
    »Oooh …« Vorsichtig beugte sich Werner etwas vor, bis er meinte, etwas von den Köpfen der Babys zu sehen.
    »Sind es Mädchen?«, fragte er.
    »Nein, drei Jungen.«
    »Drei Jungen«, wiederholte Werner leise und schluckte hörbar. Er drückte sich an dem Doktor vorbei und pirschte sich an den Tisch mit der Babytragetasche heran. Von gegenüber zwinkerte Florent Keuning ihm zu. Werner zog kurz den rechten

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