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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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Mundwinkel hoch und wandte sich dann wieder an den Doktor.
    »Wie heißen sie denn?«
    »Michael, Gabriel und Raphael.«
    In allen Ecken des Wirtshauses erhob sich nun ein Stimmengewirr, und vor Schreck rief Freddy Machon viel lauter, als er wollte: »Die Racheengel!«
    Doktor Hoppe wusste ganz offensichtlich nicht, wo er hinsehen sollte. Verlegen nippte er an seinem Glas. Jacob Weinstein, dem die Äußerung Machons entgangen war, schritt ein.
    »Wie die Erzengel, nicht wahr, Herr Doktor? Die Botschafter Gottes«, rief der Küster enthusiastisch, als wollte er seine Bibelfestigkeit demonstrieren.
    Der Doktor nickte, aber schwieg.
    Werner stand noch immer zögernd bei den Kindern. Erneut ergriff er das Wort: »Wie alt sind sie jetzt eigentlich, Herr Doktor?«
    »Fast neun Monate.«
    Er versuchte sich vorzustellen, wie sein eigener Sohn in dem Alter ausgesehen hatte. Wie groß der Junge damals gewesen war. Und ob er schon Zähne gehabt hatte.
    Die Hände auf dem Rücken, beugte er sich mit zusammengekniffenen Augen langsam vor. Das Bild, das seine Phantasie ihm vorgaukelte, ließ ihn das Gesicht verziehen, als hätte er auf etwas Saures gebissen. Hinter dem Tresen verschanzt, sah René Moresnet zu, wie Werner erst das eine Auge öffnete und dann das andere. Zweimal ließ er den Blick über die offene Babytragetasche gleiten, von vorne nach hinten und wieder zurück. Dann hellte sein Gesicht sich auf.
    »Oh, was für eine Überraschung! Sie sehen alle drei gleich aus!«, rief er mit einem Seufzer der Erleichterung. Kurz sah er über die Schulter den Doktor an und wandte sich dann wieder den Kindern zu.
    Doktor Hoppe nickte.
    »Absolut. Und niemand hat geglaubt, dass es mir gelingen würde.«
    Aus einigen Kehlen stieg ein Lachen auf, doch der Doktor verzog keine Miene, weshalb sich manch einer fragte, ob es überhaupt als Scherz gemeint gewesen war. Werner kümmerte sich nicht darum und winkte den Umstehenden: »Kommt schon, das müsst ihr euch ansehen!«
    René Moresnet kam hinter seinem Tresen hervor und schob Wilfred Nussbaum vor sich her. Erst als beide Männer sich über die Kinder gebeugt und genauso enthusiastisch reagiert hatten wie Werner, kamen auch die anderen näher. Es wurde geschubst und gedrängelt, und unter allerlei Oooohs und Aaaaaahs versuchten nun alle, einen Blick auf die drei Babys zu erhaschen.
    Was allen Schaulustigen sofort auffiel, war die Art und Weise, wie der Doktor sie in die Babytragetasche hineingelegt hatte, damit sie zu dritt Platz darin fanden. Zwei Kinder lagen zum Kopfende hin, wobei das eine mit dem linken Ohr und das andere mit dem rechten an der Seitenwand anlag. Der dritte lag mit dem Kopf zum Fußende hin, die Füße zwischen den Köpfen seiner Brüderchen.
    »Wie Ölsardinen«, flüsterte Freddy Machon.
    Die Kinder waren nicht zugedeckt, aber um sie gegen die Kälte zu schützen, hatte ihr Vater sie in flauschige, mausgraue Strampelanzüge gesteckt, die vom Hals bis zu den Füßen gingen. Auf der linken Brusthälfte war jeweils ein kleines Segelschiff aufgenäht, aber dieses Detail fiel den meisten Dorfbewohnern erst auf, nachdem sie mit den Blicken die Gesichter abgesucht hatten. Von klaffenden Spalten, wie sie der lange Meekers beschrieben hatte, war keine Spur zu entdecken. Wohl aber schien bei allen drei Kindern die Oberlippe genäht worden zu sein, wovon eine schräge Narbe zeugte, die sich genau wie beim Doktor bis unter die breite, platte Nase zog. Die großen Schädel der Kinder – »Erst dachte ich, sie hätten Helme auf«, erklärte René Moresnet später – waren mit noch spärlichem, aber langem roten Haar bedeckt. Von ihrem Vater hatten sie auch die graublauen Augen und die blasse Haut geerbt. Ihre hohen Stirnen und die Wangen waren leicht schuppig, wie auch die Handrücken.
    »Sie haben zu trockene Haut. Er muss Babycreme nehmen«, flüsterte Maria Moresnet, selbst Mutter unehelicher Zwillinge von anderthalb Jahren.
    Zumindest waren sich alle darüber einig, dass die drei Brüderchen einander zum Verwechseln ähnlich sahen und keineswegs solche Monster waren, wie sich viele vorgestellt hatten. Es waren sicher keine hübschen Kinder, und wer sie hässlich nannte, was freilich nur im Flüsterton geschah, dem mochte niemand Unrecht geben. Aber statt Abscheu erregten sie, vor allem bei den jungen Müttern, eher Mitleid. Keiner der Umstehenden rührte sie jedoch an oder streichelte ihr rotes Haar, und genauso wenig sprach jemand ihre Namen aus, als fürchte man, damit

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