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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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war, sprach aus ihrem Gesicht. Sie schien ein schmerzhaftes Geheimnis mit sich herumzutragen.
    Er verspürte den Wunsch, sie in die Arme zu nehmen, ihren Kopf an seine Brust zu drücken und sie vor allem Bösen zu beschützen. Gleichzeitig kam er sich lächerlich vor. Indem er mit ihr hierher gekommen war, brachte er sie ja erst in Gefahr.
    Und war er in dieser vertrackten Geschichte nicht viel mehr auf ihre Hilfe angewiesen als sie auf die seine?
    «Was sagst du?», fragte er und tippte auf das Buch.
    «Ich habe Hunger.»
    Schwungvoll stand sie auf und jeder Anflug von Verletzlichkeit oder Furcht fiel von ihr ab. Als sie zum Wagen ging und die Obsttüte von der Rückbank nahm, war sie wieder ganz die selbstbewusste, energische Journalistin.
    «Ist das der berühmt-berüchtigte investigative Journalismus?», fragte er mit gespielter Empörung. «Ich lese dir eine absolut wilde Geschichte vor, und dich verlangt es nur nach ein paar Bananen?»
    «Nach einem Apfel», korrigierte sie ihn, nahm einen rot glänzenden Apfel aus der Tüte und biss herzhaft hinein.
    «Dann gib mir die Bananen.»
    Als er Elena mit Genuss kauen sah, wurde er hungrig. Das Frühstück in der Gardekantine hatte nur aus einem Milchkaffee und einem Marmeladenhörnchen bestanden und lag an die sieben Stunden zurück. Er schob sich die erste Banane im Zeitraffertempo in den Mund und schälte sofort die zweite.
    Noch während er kaute, packte ihn das schlechte Gewissen.
    «Was hast du?», fragte Elena, die sich wieder auf ihrem Stein niedergelassen hatte. «Du guckst, als hättest du ein Gespenst gesehen.»

    «Viele Gespenster, die Geister der Vergangenheit. Ich musste gerade an den Sacco di Roma denken und habe versucht, mir vorzustellen, welche Entbehrungen die Belagerten in der Engelsburg zu ertragen hatten.»
    «Immerhin konnten sie ihr Leben retten – im Gegensatz zu vielen anderen.» Sie spuckte einen Apfelkern aus. «Scheißkrieg.»
    «Krieg ist immer Scheiße, selten nützlich und nie logisch zu erklären.»
    Elena lachte laut auf und sah ihn erstaunt an. «Das sagst ausgerechnet du, ein Soldat?»
    «Die Schweizergarde führt keine Kriege. Gegen wen auch?
    Selbst Liechtenstein oder Monaco wären uns militärisch überlegen, falls es dort Streitkräfte gäbe. Unsere Aufgabe ist es, den Papst zu beschützen» Leise fügte er hinzu: «Auch wenn es so aussieht, als könnten wir nicht einmal die Sicherheit unseres Kommandanten garantieren.»
    «Und was tut ihr, wenn eine fremde Armee den Vatikan angreift?»
    «Dann vertrauen wir auf das militärische Schutzbündnis des Vatikans mit dem italienischen Staat, was auch ganz sinnvoll ist.
    Denn jeder ausländische Aggressor müsste zunächst durch Italien, um zum Vatikan zu gelangen. Es hat seine Vorteile, nur ein Stadtstaat zu sein.»
    «Dein Urururgroßvater, oder was auch immer er war, schien dem Krieg nicht so abgeneigt. Er hatte keine Bedenken, von der Waffe Gebrauch zu machen.»
    «Auch ich habe einen Menschen getötet, erst gestern», sagte er mit harter Stimme.
    «Das war Notwehr, du bist angegriffen worden.»
    «Und Albert Rosin hat getötet, um den Papst zu verteidigen.
    Sein Eid und seine Pflicht haben das verlangt. Ich würde genauso handeln, wäre Papst Custos in Gefahr.»

    Sie spielte die Zerknirschte. «Zugegeben, ich war unfair, was deinen …»
    «Urururgroßvater war gar nicht verkehrt», fiel er ihr ins Wort.
    «Wenn auch noch einige Urs davor müssten. Mein Stammbaum reicht zurück bis zu Albert Rosin und seiner Frau Caterina.
    Allerdings wusste ich bis heute nicht, dass diese Caterina mit Mädchennamen Coscia hieß und das älteste Gewerbe der Welt ausübte. Wie auch immer, sie gebar Albert Rosin tatsächlich einen Sohn, der den Namen Kaspar erhielt und auch zu meinen Urs zählt.»
    «Es muss schön sein, eine solche Familientradition zu haben», sagte Elena versonnen und wirkte für einen flüchtigen Moment wieder sehr verletzlich. «Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich unbedingt aus einer Soldatenfamilie stammen möchte.»
    Er setzte ein zynisches Grinsen auf. «Wer im Zivilleben tötet, ist ein Mörder, die Uniform macht einen ehrbaren Beruf daraus.
    Aber ernsthaft, für einen Schweizer war es zu jenen Zeiten absolut nichts Ungewöhnliches, den Waffenrock anzulegen und in fremden Diensten zu fechten. Wo sollten die ganzen Bauernburschen auch hin? Das kleine Land ihrer Väter war nicht beliebig aufteilbar. Also haben sie in der Ferne Lohn und Brot gesucht. Engel waren sie

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