Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
Vom Netzwerk:
in der Burg. Die Abordnung der Hauptleute wurde von den Kardinälen empfangen, nicht aber der Herr de Naggera. Fabien Maurois führte ihn – und nur ihn – zu Seiner Heiligkeit dem Papst.
    Ich war sehr erstaunt, als kurz darauf der Franzose mit Cellini zu mir kam und mich aufforderte, ihnen zu folgen. Wir begaben uns in den päpstlichen Speisesaal, wo Clemens den Spanier mit Wein und Früchten bewirtete. Zum ersten Mal seit unserer Rückkehr begegnete ich Seiner Heiligkeit, und der Anblick des sorgen-zerfurchten Gesichts erschreckte mich. Immerhin verdeckte der ungehindert wuchernde Bart gnädig einen Teil der Sorgenfalten.
    «Da sind ja die Mörder!», rief de Naggera bei unserem Eintreten aus. «In Venedig töteten sie meinen Gondoliere, zwei Freunde von mir und einen Edelsteinschleifer.»
    «Ist das wahr?», fragte der Papst.
    «Wir haben nichts getan, was nicht in Eurem Sinn gewesen wäre, Eure Heiligkeit», antwortete Cellini. «Was die beiden Freunde dieses spanischen Herrn betrifft, so hat sich unser tapferer Freund Rosin nur seiner Haut erwehrt.»
    «Die Toten sind nicht wichtig», schnaubte der Spanier. «Ich verlange nur zu wissen, weshalb Ihr diese beiden Männer nach Venedig gesandt habt, Heiliger Vater.»
    Clemens hielt seinem herausfordernden Blick stand und erwiderte kühl: «Es gibt keinen Grund dafür, den ich Euch nennen müsste.»
    «Vielleicht doch. Venedig beherbergt bekanntlich hervorragende Edelsteinschleifer. Dass Eure Gesandten sich bei einem der Besten der Zunft herumgetrieben haben, lässt ihre Mission mehr als nur verdächtig erscheinen. Was, wenn Ihr mich hintergehen wollt?»
    «Überzeugt Euch doch selbst!», forderte der Papst und zeigte auf eine mit weißen Perlen besetzte Silberschatulle, die in etwa so groß war wie der von Cellini auf unserer Reise gehütete Holzkasten.
    Der Spanier griff nach der Schatulle, öffnete sie und nahm einen Smaragd heraus. Sonst enthielt sie nichts.
    Als er den Stein ins Licht hielt, erkannte ich das eingeschliffene Bildnis. Es war ein Haupt, das sich dem Betrachter in der Seitenansicht darbot, und sofort wusste ich, wem die edlen Züge gehörten. Nur der Sohn Gottes auf Erden konnte von solcher Reinheit sein. Ein makelloses Bildnis und ein betörend schöner Smaragd.
    Abbas de Naggera jedoch schien gar nicht erbaut und sah den Heiligen Vater wütend an. «Ihr wollt mich betrügen, ich habe es geahnt! Dies ist nicht der Stein, nach dem ich gesucht habe.»
    «Ihr habt etwas gesucht, das es nicht gibt», erwiderte der Papst. «Dies ist der Stein, den man die Wahre Ähnlichkeit Christi nennt. Es ist nicht meine Schuld, dass er Euren Erwartungen nicht entspricht.»

Die zur Faust geballte Rechte des Spaniers umschloss den Smaragd, als wollte er ihn zerquetschen.
    «Aber es ist Eure Schuld, wenn Ihr auf dieser Burg verschimmelt!», fuhr er den Papst an. «Ich hätte Euch Freiheit und Macht zurückgeben können. Aber wer mich hintergeht, hat nichts von mir zu erwarten.»
    «Ihr wollt den Stein also nicht?», erkundigte Clemens sich.
    «O doch, ich behalte ihn.»
    «Und was gebt Ihr dafür?»
    «Ich nehme den Stein nicht als Erfüllung unseres Abkommens an mich, sondern als Beweis Eurer Falschheit, Heiligkeit. » Das letzte Wort sprach der Spanier mit solcher Verachtung aus, dass ich nahe daran war, zum Schwert zu greifen, um die Ehre und Würde des Papstes zu verteidigen. «Verkriecht Euch nur in Eurer Burg. Denn falls Ihr auch nur die Nasenspitze hervorstreckt, werde ich zuschlagen!»
    Wütend verließ er, den Smaragd in der fest geschlossenen Rechten den Saal. Da der Papst mir kein Zeichen gab, ließ ich den Herrn de Naggera passieren. Es war, als griffe sein Zorn wie eine unsichtbare Faust nach mir.
    An diesem und den folgenden Tagen verhandelten der Papst und seine Kardinäle mit den kaiserlichen Hauptleuten und ihrem neuen Oberbefehlshaber Philipp von Oranien. Der Kriegszustand wurde aufgehoben, aber Rom blieb von den Plünderern besetzt, und Clemens verharrte unter strenger Bewachung auf der Engelsburg. Diese Bewachung übernahmen Landsknechte und Söldner unter den Hauptleuten Schertlin, Wehingen und Alarcon.
    Letzterer kam aus Spanien, und einmal sah ich ihn vor den Mauern der Burg in der Abenddämmerung mit Abbas de Naggera zusammentreffen. Woraus ich schloss, dass Alarcon in unserer Festung Auge und Ohr des finsteren Spaniers war.
    Benvenuto Cellini verließ die Engelsburg bald nach unserer Rückkehr und ich war darüber sehr erleichtert. Seine

Weitere Kostenlose Bücher