Der Engelspapst
Gegenwart hatte ich als ständige Gefahr für Caterina empfunden, seine aufbrausende Art als unschicklich und seine Mordlust als unehrenhaft. Wie man hört, soll er zurück nach Florenz gegangen sein, was mir für die Florentiner Leid tut.
Der Papst hatte die Reste seiner Schatzkammern zu leeren und dem Feind alles auszuliefern. Mit den Schätzen verließ auch die wackere Schweizergarde die Burg. Die Kaiserlichen hatten die Auflösung unserer Truppe zur Bedingung gemacht. Nur zwölf Guardiknechte durfte der Heilige Vater zu seinem persönlichen Schutz behalten, und ich schätzte mich glücklich, zu den Auserwählten zu zählen.
Wie gut Seine Heiligkeit daran getan hatte, auf zumindest einer kleinen Leibwache zu bestehen, zeigte sich in einer Nacht gegen Ende des Monats November. Es war jene Nacht, bei deren Einbruch ich von den Burgzinnen aus die bereits erwähnte Zusammenkunft von Abbas de Naggera und Hauptmann Alarcon an der Engelsbrücke beobachtet hatte.
Als ich zwei Stunden später den Hauptmann Alarcon in der Nähe der päpstlichen Gemächer erblickte, war ich gewarnt und schickte den Hans Gutenberg, der mit mir Wache stand, Verstärkung herbeizuholen. Die übrigen Guardiknechte kamen gerade noch rechtzeitig, um ein halbes Dutzend vermummter Bewaffneter abzufangen; die Strolche hätten mir sonst wohl ebenso den Garaus gemacht wie dem Papst.
Zwei von ihnen überlebten das Gefecht, doch erschien recht plötzlich Alarcon mit einer Söldnerschar und nahm sie in seine Obhut. Ihr Verhör blieb angeblich ohne Ergebnis, aber ich nehme an, dass Alarcon gar nichts von ihnen hören wollte, sondern in Wahrheit ihr Auftraggeber war. Er und dieser neunmal verfluchte Abbas de Naggera.
Dieser Ansicht war auch der Papst, der es an der Zeit fand, dem Einfluss des spanischen Herrn zu entfliehen. Immer mehr Kaiserliche hatten das geplünderte Rom verlassen, um andernorts ihr Glück zu versuchen oder einfach nur um mit lebendigem Leib aus der pestverseuchten Stadt zu gelangen.
Kaum einer würde sich uns draußen noch in den Weg stellen, so es uns nur gelang, den Bewachern auf der Burg zu entrinnen.
Auf die Spanier durften wir dabei nicht zählen. Sie standen mit Abbas de Naggera im Bunde, und der schien Papst Clemens mehr zu hassen als sämtliche Dämonen der Hölle. Daher versuchten wir es bei dem Hauptmann Schertlin, dem der Ruf eines außerordentlich geschäftstüchtigen Mannes vorauseilte.
Mit den letzten zusammengekratzten Edelsteinen und Goldstücken erkaufte der Heilige Vater das Wohlwollen des Hauptmanns und die Blindheit seiner Landsknechte.
Und so schlich der Papst in der Nacht zum achten Dezember Anno Domini 1527 mit seinem engsten Gefolge und unter der Bedeckung von nur zwölf Schweizern aus der zum Kerker gewordenen Fluchtburg. Unser Ziel war Orvieto, das Schutz versprach mit seiner festen Burg und dem in der Nähe stehenden Heer der Heiligen Liga.
Die Mauern Roms lagen längst hinter unserer kleinen Kolonne, da meldete die Nachhut Hufgetrappel. Es war nur ein einzelner Reiter, der schnell zu uns aufschloss, indem er das Letzte aus seinem Tier herausholte. Der Braune blieb zitternd und schnaubend vor uns stehen. Schaumflocken flogen von seinem Maul, während er gierig nach Atem rang. Die großen Radsporen des gnadenlosen Reiters hatten die Flanken blutig getreten.
«Wo ist der Satanspapst?», schrie Abbas de Naggera. «Er kann mir nicht entfliehen! Die Wahrheit wird siegen über …»
Da brach das arme Pferd vor Erschöpfung zusammen. Der Spanier, aus dem Sattel geworfen, kroch auf allen vieren über den Boden, erhob sich und griff nach seinem Schwert.
Wahrlich, ich hatte viel Geduld mit ihm gehabt. Aber als er von neuem anfing, den Papst als Satansdiener zu verhöhnen, hob ich meine Hellebarde und schlug mit aller Kraft zu. Der Hieb spaltete dem Lästerer das Haupt. Als er endlich mit zerschmettertem Schädel vor mir lag, konnte ich nichts Bedrohliches mehr an ihm finden.
Der Papst, der herbeigeeilt war, schien beim Anblick des Toten über alle Maßen erleichtert. Er erteilte mir sogleich Absolution und versicherte mir, ich hätte ein gutes Werk getan und der Kirche einen unschätzbaren Dienst erwiesen.
Als Abbas de Naggera tot vor mir lag, glaubte ich, von der seltsamen Angelegenheit mit dem Smaragd – oder den beiden Smaragden, um genau zu sein – würde ich nie wieder etwas hören. Das war einer der vielen Irrtümer in meinem Leben.
Das, was ich zum Schluss berichten will, geschah im November
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