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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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vor.»
    «Lass mich raten: Mutter Assunta und ihre so genannten Erzieherinnen waren verschwunden.»
    Elena nickte. «Nicht nur das. Sie hatten auch einige der Mädchen mitgenommen, ein paar ganz junge und einige ältere, darunter Schwester Bianca.»
    «Hat man sie gefunden?»

    «Nie.»
    Alexander stieß einen Fluch aus und füllte beide Gläser mit Wein. Er trank einen großen Schluck, Elena aber rührte ihr Glas nicht an.
    «Was ist mit diesem William Antonio Rodrigues?», erkundigte er sich. «Welche Rolle hat der gespielt?»
    «Du wirst es nicht glauben.» Zum ersten Mal, seit sie mit ihrer Erzählung begonnen hatte, lächelte sie. «Er war Jugendrichter in Jundiai, allerdings ein sehr ungewöhnlicher. Er entschied seine Fälle schneller, als du ‹zack› sagen kannst. Jedenfalls dann, wenn es darum ging, Eltern das Sorgerecht zu entziehen, weil sie angeblich nicht in der Lage waren, sich um ihre Kinder zu kümmern, oder weil sie die Kinder, ebenso angeblich, misshandelten. Ein anonymer Anruf hat Richter Rodrigues gereicht, um Eltern ihre Kinder wegzunehmen.»
    «Und diese Kinder fanden sich mit neuem Namen und gefälschter Herkunft im Hort zu Gottes großer Gnade wieder.»
    «Dort und anderswo», bestätigte Elena. «Rodrigues wurde nach einer langwierigen Untersuchung seines Amtes enthoben, war aber kurz darauf schon wieder als Verkehrsrichter in São Paulo tätig. Ähnlich erging es den anderen Vermittlern, an deren Namen ich mich aus den Akten erinnerte. Totus Tuus hält seine schützenden Hände über die Seinen.»
    «Erklär mir das genauer», bat Alexander. «Welche Rolle spielte Totus Tuus bei dieser Sache?»
    «Die tragende. Das Waisenhaus hat ebenso zum Orden gehört wie Richter Rodrigues. Er vertrat die Meinung, er habe ein gutes Werk getan, indem er die Kinder vor dem Schicksal bitterer Armut bewahrte und sie ins reiche Europa bringen ließ.»
    «Was hatte der Orden wirklich mit ihnen vor?»
    «Je mehr Menschen auf das Wort von Totus Tuus hören, desto größer wird seine Macht. Und wer ist besser zu beeinflussen als ein Kind das nichts anderes kennt als die strengen Regeln in einem angeblich christlichen Waisenhaus?»
    «Wie hast du das alles herausgefunden? Und was wurde aus dir …»
    «Elena Vida, die Vatikanistin? Ich bin auf eine Organisation gestoßen, die seit langem gegen die Praktiken von Totus Tuus kämpft. Auch der Professor gehört ihr an. Er und seine Mitstreiter haben dafür gesorgt, dass ich einen neuen Namen erhielt, meinen dritten. Denn der Orden verfolgt die, die sich gegen ihn stellen, unbarmherzig.»
    «Wolltest du nicht deinen ursprünglichen Namen annehmen?»
    «Natürlich dachte ich daran, zu Dolores Machado zu werden.
    Ich habe sogar Portugiesisch gelernt und bin nach Jundiai geflogen, um meine Mutter kennen zu lernen. Meine angeblichen Eltern Claudio und Gabriella Orfei hat es ebenso wenig gegeben wie ihren tödlichen Autounfall. Meine Mutter heißt Iracema Machado; mein Vater hat sie noch vor meiner Geburt verlassen und sie hat ihn nie wieder gesehen. Sie arbeitet als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft am Stadtrand von Jundiai und verdient gerade genug, um ihre kleine Mietwohnung zu bezahlen und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Vielleicht war sie sogar erleichtert, als Rodrigues mich damals durch die Polizei abholen ließ. Als ich ihr gegenüberstand, war sie mir vollkommen fremd.»
    «Du hast mir ihr gesprochen?»
    «So kann man es nicht nennen. Ich bin in das Schuhgeschäft gegangen und habe mir von ihr Sandalen zeigen lassen. Bevor ich ihr sagte, wer ich bin, wollte ich mir erst einmal ein Bild davon machen, wie sie ist und wie sie denkt. Stattdessen habe ich etwas über mich erfahren, das mich sehr erschreckt hat: Ich hege keinerlei Gefühl für die Frau, die meine Mutter ist. Als mir das klar wurde, verließ mich der Mut. Ich habe ein paar Sandalen gekauft und bin gegangen. Am nächsten Tag bin ich nach Rom zurückgekehrt.»
    «Warum Rom?»
    «Wegen Totus Tuus! Ich will Rache. Damals, als die Erzieherinnen auf mich einschlugen, habe ich Gott – oder vielleicht auch mir selbst – ein Versprechen gegeben. Wenn ich das alles lebend überstand, wollte ich dafür sorgen, dass der Spuk, der da im Namen des Herrn betrieben wird, ein Ende findet. Ich weiß nichts Genaues über die Spitze des Ordens, aber alle Fäden scheinen in Rom zusammenzulaufen, dem Zentrum der Christenheit.»
    «Und du bist Vatikanistin geworden, um in genau dieses Zentrum einzudringen.»
    «Ja»,

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