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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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bereiten, nicht einmal, wenn sie mit Lust verbunden waren.

16
    Dienstag, 12. Mai
    Elenas Handy weckte die beiden mit einem fröhlichen Trällern, als durch die Dachfenster schon Tageslicht hereinfiel. Erschöpft waren sie in den zerwühlten Laken eingeschlafen, nachdem sie sich endlos geliebt hatten, mal zärtlich, mal heftig. Es war wie ein Rausch gewesen, den sie beide herbeigesehnt hatten. Und als Elena schließlich in seinen Armen eingeschlafen war, hatte Alexander keine Enttäuschung gespürt. Im Gegenteil, er war sogar froh gewesen, sich nicht mit der Geliebten unterhalten zu müssen. So brauchte er ihr sein Geheimnis nicht zu offenbaren, hatte zumindest einen Aufschub gewonnen.
    Elena stieg aus dem Bett und durchwühlte ihren Kleiderhaufen nach dem unermüdlich piepsenden Handy. Alexander betrachtete ihre wohlgeformten Rundungen. Sein Lächeln gefror, als sein Blick höher glitt, zu dem narbigen Rücken.
    Endlich fand sie den kleinen schwarzen Nervtöter und meldete sich mit einem knappen «Pronto». Während sie dem Anrufer lauschte, hellten sich ihre Züge auf, und sie bedankte sich überschwänglich.
    Dann drehte sie sich zu Alexander um und sagte mit einem breiten Lächeln: «Das war Spartaco.»
    «Wie schön für dich», erwiderte er missmutig.
    «Auch für dich, hoffe ich. Er hat nämlich die Katzennärrin ausfindig gemacht!»
    Eine schnelle Dusche und einen Cappuccino später fuhren sie in Elenas kleinem Fiat den Gianicolo hinab und Alexander fragte: «Was genau ist eigentlich eine Treuschwester?»

    «Das Gleiche wie ein Treubruder, nur mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen.»
    «Das hätte ich jetzt nicht gedacht», gähnte er.
    «Das System der Treuschwestern und Treubrüder ist so ziemlich das Perfideste, was die Köpfe von Totus Tuus sich zur Überwachung der Mitglieder ausgedacht haben», erklärte Elena, während sie mit einem eleganten Schlenker einem wüst hupenden Mülltransporter auswich. «Besonders zum Tragen kommt es bei den Mädchen und Jungen, die der Orden in Heime steckt, um sie zu wahrhaft ordentlichen Gefolgsleuten heranzuzüchten. Es ist nur natürlich, dass ein junger Mensch, der ohne Eltern und unter strengen Regeln heranwächst, in seiner Umgebung eine Bezugsperson sucht, im Allgemeinen einen Zimmergenossen oder eine Zimmergenossin. Diese einzige Möglichkeit, sich einen Rest von Privatleben zu bewahren, kalkulieren die Heimleiter ein.
    Von den beiden Bewohnern eines Zimmers ist einer dem Orden bereits treu ergeben, was der andere aber nicht weiß. Wenn er sich dem Zimmergefährten mit seinen intimsten Gedanken anvertraut, weiß es am anderen Morgen die Heimleitung.»
    «Wie bei Schwester Bianca», nickte Alexander. «Woher aber stammt der Ausdruck?»
    «Totus Tuus treibt die Perfidie auf die Spitze, indem die Zimmergenossen ausdrücklich angehalten werden, einander als Treubrüder und -schwestern anzusehen. Sie sollen treu zueinander stehen oder sich gegenseitig betreuen, ganz wie du willst. Jeder soll mit seinen Sorgen und Nöten zum anderen kommen und stets ein offenes Ohr bei ihm finden. Das funktioniert natürlich auf doppelte Weise. Zum einen zieht sich der Orden dadurch perfekte Spione heran, zum anderen werden die noch nicht Überzeugten durch ihre Treugeschwister mit Totus-Tuus-Weisheiten geimpft. Was die angeblich so treu sorgenden Zimmergenossen als ihre innersten Gedanken ausgeben, ist in Wahrheit die in genießbare Portionen aufgeteilte Propaganda des Ordens. Und sobald ein neuer Anhänger gewonnen ist, gibt er selbst einen idealen Spion und Verführer für Totus Tuus ab.»
    «Ob Raffaela Sini auch eine Treuschwester hatte, der sie sich am Tag ihrer Ermordung leichtsinnigerweise anvertraute?»
    «Gut möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich. Ich habe noch keine konkreten Beweise, hege aber die Vermutung, dass Totus Tuus hinter den Weißen Tauben steht. In Trastevere gibt es eine von Totus Tuus geleitete Organisation zur ‹christlichen Unterweisung junger Frauen›. Die Polizei hat herausgefunden, dass Raffaela dort an einer Bibelstunde teilgenommen hat, bevor sie ermordet wurde.»
    «Womit wir eine Verbindung zwischen dem Orden und Marcel Danegger hätten und damit auch zu dem Mord an meinem Onkel und meiner Tante.» Er stieß einen schrillen Pfiff aus. «Ein heißes Ding, aber leider wieder nur Vermutungen.»
    «Wir arbeiten daran, es genauer herauszufinden», erwiderte Elena, ohne ihn anzusehen.
    Der starke Morgenverkehr beanspruchte ihre Aufmerksamkeit.
    Durch

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