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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hatte – Geschichte, in der aufregende Dinge vorkamen.
    Wenn ich ein paar Stöcke und Lumpen hätte, könnte ich Fackeln damit bauen.
    Er zuckte die Achseln, stand auf und ging weiter den Tunnel hinunter.Aber schon nach wenigen Schritten blieb er kopfschüttelnd stehen.
    Mondkalb. Dummes Mondkalb.
    Er lief zurück zu dem brennenden Tümpel, ließ sich nieder und zog sein Hemd aus. Dann riss er Stücke vom Saum ab. Das perdruinesische Feuer war angenehm warm.
    Rachel würde mir das Fell über die Ohren ziehen, wenn sie sähe, wie ich ein durchaus brauchbares Hemd kaputtmache. Er kicherte, zu laut. Das Echo rollte den Gang hinunter in leere Dunkelheit. Es wäre schön, Rachel wiederzusehen, begriff Simon plötzlich. Ein Gedanke, der ihn verblüffte.
    Als er ein Dutzend Streifen in der Hand hatte – das Hemd reichte jetzt noch knapp bis unter die Achselhöhlen –, schaute er kurz in die Flammen und überlegte, wie er den Stoff eintauchen könnte, ohne sich die Haut von den Händen zu sengen. Er erwog, die Fackel zu benutzen, entschied sich jedoch dagegen. Er wusste nicht, wie tief das Loch im Tunnel war, und hatte Angst davor, die Fackel fallen zu lassen. Dann aber würde er nur noch ein Licht haben, das er nicht mitnehmen konnte.
    Nach langem Nachdenken klemmte er die Fackel seitlich fest und fing an, aus den Ritzen zwischen den Felsblöcken Erde herauszukratzen und in das Loch zu schaufeln. Nach einem guten Dutzend Händen voll flackerte die Flamme und erlosch. Er wartete noch eine Weile, weil er nicht sicher war, wie lange das Abkühlen dauern würde, und wühlte dann die schmutzige Erde wieder zur Seite, bis eine offene Stelle zurückblieb, an der er die Lappen eintauchen konnte. Als er die Stoffstreifen alle gut durchtränkt hatte, nahm er einen davon heraus.
    Die anderen rollte er fest zusammen und legte sie nebeneinander auf das letzte und größte Stück von seinem Hemd. Diesen behelfsmäßigen Sack band er zusammen und hängte ihn an seinen Gürtel. Den verbleibenden Streifen wickelte er sorgfältig um die Fackel, ein kleines Stück unterhalb der Flamme, und hielt sie dann so lange schräg, bis der mit perdruinesischem Feuer getränkte Lappen Feuer fing. Er brannte hell, und Simon nickte. Er brauchte nach wie vor etwas zu essen und zu trinken, aber wenn er sparsam mit seinen Vorräten umging, musste er sich wenigstens noch eine ganze Weilekeine Sorgen darüber machen, dass er ohne Licht dastand. Verirrt und allein mochte er sein, aber er war eben nicht mehr nur Simon Mondkalb – er war auch der sagenhafte Seoman Schneelocke.
    Viel lieber freilich wäre er ganz einfach Simon gewesen, der in Freiheit mit seinen Freunden über die grüne Erde dahinwanderte.
     
    Entscheidungen, dachte er traurig, können Fluch und Segen zugleich sein.
    Einmal hatte er schon geschlafen, zu einem Knäuel zusammengerollt auf dem harten Tunnelboden, die Fackel mit einem frischen Lappen voll perdruinesischem Feuer umwickelt. Als er aus einem schrecklichen Angsttraum erwachte, in dem alles Licht erloschen war und er durch schlammige Schwärze kroch, brannte die Fackel noch immer ruhig weiter.
    Seitdem war er eine ganze Zeit weitergegangen, es kam ihm wie mehrere Stunden vor. Sein Durst war immer größer geworden, bis er das Gefühl hatte, dass jeder Schritt seinem Körper Feuchtigkeit entzog und er an fast nichts anderes mehr denken konnte als an Wasser. Der Streifen Fleisch steckte immer noch in seiner Tasche. Beim bloßen Gedanken daran, das trockene, salzige Stück zu essen, bekam er Kopfschmerzen, obgleich sein Hunger kaum geringer war als sein Durst.
    Plötzlich gab es eine Unterbrechung in den eintönigen Stein- und Erdwänden des Tunnels. Nach beiden Seiten öffnete sich ein Quertunnel, zwei unregelmäßige, aber ziemlich große Löcher, ohne Zweifel nicht natürlichen Ursprungs. Nachdem Simon eine fast unendliche Zeit lang wahllos vor sich hingestapft war, musste er nun eine Entscheidung fällen: Sollte er geradeaus gehen oder nach rechts, oder nach links?
    Was er suchte, war ein Pfad, der nach oben führte, aber beide Abzweigungen schienen in jede andere als in diese Richtung zu verlaufen. Er ging nacheinander ein kleines Stück in beide hinein, witterte, spähte und horchte auf alles, das auf frische Luft oder Wasser hindeuten könnte, aber erfolglos. Der Quertunnel war ebenso langweilig wie der, durch den er nun schon, Ädon allein wusste, wie lange, dahinwanderte.
    Er kehrte zum Hauptgang zurück und blieb dort stehen,

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