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Der entgrenzte Mensch

Titel: Der entgrenzte Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Funk
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wahrgenommen, sondern als etwas Eigenes.
    Erreicht wird diese »Subjektivierung der Arbeit« durch die Unternehmensleitungen vor allem dadurch, dass die Arbeitsorganisation flexibilisiert und die Arbeitsverhältnisse destabilisiert werden. Dem Einzelnen bleibt dann nur die Wahl, entweder die mit der Entgrenzung einhergehende Unsicherheit als Herausforderung anzunehmen und seine Persönlichkeit dem Ökonomisierungsgebot zu unterwerfen oder als ein ökonomisch wenig produktiver Arbeitskraftunternehmer früher oder später ohne Projekt dazustehen.

PRODUKTION VON WIRKLICHKEIT
    Eine ähnliche Brisanz wie die Entgrenzung im Raum der Arbeitsverhältnisse vom Arbeitnehmer zum Arbeitskraftunternehmer hat auch eine neue Form der Entgrenzung auf der Ebene des Produkts von wirtschaftlichem Handeln. Gemeint ist hier nicht die Entgrenzung des Marktes für die Produkte durch die globale Erschließung neuer Märkte. Es geht auch nicht um die Entwicklung von Produktvarianten, die angesichts des Verdrängungswettbewerbs und der Sättigung der Märkte vielleicht doch noch eine Chance haben. Vielmehr geht es um die Entgrenzung des ökonomischen Produzierens selbst. War ein Produkt bislang eine Sachgut, eine Dienstleistung, eine Information, ein Wissen, so wird jetzt zunehmend Wirklichkeit produziert, und zwar Wirklichkeit in Gestalt von Lebenswelten, Erlebniswelten,
Sinnwelten, Gefühlswelten, Leidenschaften, »emotions«, Lebensstilen usw.
    Dass Wirklichkeit selbst als ökonomisches Produkt eine immer größere Rolle spielen kann, hat in erster Linie mit den neu entwickelten Möglichkeiten der Entgrenzung durch Digitalisierung und elektronische Medien zu tun, auf die später eigens noch einzugehen sein wird. Natürlich gab es schon immer die Produktion von Wirklichkeit - und also auch Wirklichkeit als Produkt - im Bereich der Bildenden Kunst, des Theaters, der Musik, der Literatur, der Religion usw. Jede Weltbildschöpfung mit magischen und mythologischen Vorstellungswelten ist Produktion von Wirklichkeit. Mit jeder Denkvorstellung und Gefühlswahrnehmung nimmt der Mensch nicht nur äußere und innere Wirklichkeitsvorgaben auf, sondern konstruiert und produziert er zugleich Wirklichkeit.
    Der Umgang mit Wirklichkeit ist nie einfach nur Aufnahme und Übernahme von Vorgegebenem und Aufgegebenem, sondern immer auch ein Akt der Produktion von Wirklichkeit. Selbst wenn jemand nicht generativ, sondern nur re-produktiv mit dem außerhalb des eigenen Ich Liegenden umgeht, produziert er Wirklichkeit. Wirklichkeit zu produzieren war die Domäne von Kultur und wurde erst allmählich über die Medienindustrien (Druck-, Ton- und Filmerzeugnisse) ein Produkt von Wirtschaft, so dass sich die Grenzen zwischen dem Kerngeschäft von Kultur und dem von Wirtschaft zunehmend vermischten.
    Wenn hier die Produktion von Wirklichkeit durch eine Kultur produzierende Wirtschaft als eine wichtige Wurzel für das allgegenwärtige Entgrenzungsdenken vorgestellt wird, dann vor allem aus folgenden Gründen.
    • Die Wirtschaft entgrenzt mit der Produktion von Wirklichkeit ihre Produktmöglichkeiten angesichts der digitalen und medialen Inszenierungsmöglichkeiten ins Grenzenlose und kann auf diese Weise den Markt sehr viel besser selbst steuern.
    • Das Produkt selbst, nämlich die produzierte Wirklichkeit, dient der Entgrenzung, indem es in erster Linie Wirklichkeiten
inszeniert und verkauft, die entweder die Begegnung mit der vorgegebenen oder erwünschten eigenen Wirklichkeit (Lebensstil, Lebenswelt, Milieu, Szene) erleichtert oder unterhaltsame und illusionäre Gegenwelten offeriert.
    • In psychologischer Perspektive besonders relevant ist, dass mit der Produktion von Wirklichkeit durch die Wirtschaft der Mensch immer mehr zum Konsumenten produzierter Wirklichkeit wird, statt mit Hilfe seiner eigenen kreativen Kräfte selbst Wirklichkeit zu generieren.
    • Erzeugt der einzelne Mensch selbst Wirklichkeit, verbindet er damit meist auch Interessen, die seinen wie immer auch gearteten subjektiven Bedürfnissen entsprechen. Wenn Wirtschaft Wirklichkeit produziert, dann versucht sie vor allem, den gemeinsamen Bedürfnissen der Vielen gerecht zu werden, bietet also Massenkultur an und trägt zur Vermassung von Kultur bei.
    • Die Produktion von Wirklichkeit durch die Wirtschaft erfolgt aus ökonomischen Gründen, mit der Absicht, Gewinne zu machen, und unter Einsatz des bereits skizzierten entgrenzenden Wirtschaftlichkeitsgebots. Da die ökonomische Produktion von

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