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Der entgrenzte Mensch

Titel: Der entgrenzte Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Funk
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realisieren kann.« Dass trotz aller Angebote das Ökonomisierungsgebot in Wirklichkeit nicht aufgeweicht wird, lässt
sich auch an der betriebswirtschaftlichen Kalkulation erkennen; hier wird nämlich das »Social Engineering« (früher sprach man von der »Humanisierung der Arbeitswelt«) zum Kostenfaktor Mensch gerechnet. Darüber hinaus eignet es sich zur Einübung in die Corporate Identity und dient den Public Relations und der Präsentation der Unternehmensphilosophie.
    Eine letzte Illustration für die Entgrenzung des Menschen als Arbeitskraft ist die Auflösung der traditionellen Beziehung zwischen Unternehmer und weisungsabhängigem Arbeitnehmer durch die Etablierung des Arbeitskraftunternehmers . Der in ihm sich ausdrückende Entgrenzungsvorgang hat eine ähnlich große Tragweite wie die Globalisierung in der Wirtschaftswelt als Ganzer.
    Der Begriff »Arbeitskraftunternehmer« wurde von Günter Voß und Hans Pongratz (1998; 2003) eingeführt und veranschaulicht, wie die Verantwortung für Arbeitsaufträge, Arbeitsformen sowie für die Organisation und Kontrolle von Arbeit immer mehr dem unternehmerischen Geschick der einzelnen Arbeitnehmerin und des einzelnen Arbeitnehmers zugemutet wird, so dass sie immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer ihrer eigenen Arbeitskraft werden müssen. Ein Phänomen, das überall in Gesellschaft und Alltag zu beobachten ist, nämlich dass etwas, das bisher in Anspruch genommen werden konnte, nun selbst zu erbringen ist - etwa, dass man sich die Fahrkarte am Automaten holt, die Flug-Tickets via Internet bestellt und auf dem eigenen Drucker ausdruckt oder auch mehr und mehr selbst verantwortlich wird für seine Gesundheits- und Altersvorsorge - wird hier in Bezug auf die Arbeit sichtbar: Für den »Arbeitskraftunternehmer« oder - allgemeiner - den »Selbstunternehmer« (vgl. Bröckling 2007) wird Arbeit von etwas Vorgegebenem zu etwas, das man selbst zu »geben«, zu steuern und zu kontrollieren hat.
    Die mit dieser Entgrenzung der Arbeitskraft angestrebte Veränderung zielt auf eine Aktivierung der Arbeitskraft durch eine permanente »Selbstoptimierung« und auf die Übernahme unternehmerischer Verantwortung, ohne eine gesicherte und feste
Verbindung mit dem Betrieb zu haben. Vor allem aber soll mit ihr »die Verlagerung von Regulierungs- und Kontrollfunktionen auf die Arbeitskräfte selbst« erreicht (Henninger/Bleses 2005, S. 315) und die »Fremdbindung« (in Gestalt weisungsgebundener Arbeit) durch eine »Selbstbindung« ersetzt werden (Manning/Wolf 2005, S. 32). Auf diese Weise entsteht historisch ein neuer Typ von Arbeitskraft, »dessen Erwerbsorientierungen durch Selbst-Kontrolle, Selbst-Ökonomisierung und Selbst-Rationalisierung charakterisiert« sind (a.a.O., S. 27).
    Indem die Persönlichkeit des Arbeitenden als ökonomischer Produktivitätsfaktor erkannt wurde, sollen die Arbeitssubjekte »sich nun selbst steuern, selber rationalisieren, Sinn und Erfüllung in der Arbeitssphäre suchen, sie sollen - den Markt im Auge, den Kunden im Sinn - unternehmerisch denken, handeln und fühlen« (Kratzer et al. 2004, S. 355). Statt in den Genuss der Vorsorge, Fürsorge, Vorleistung und Weisung eines Arbeitgebers zu kommen und in einer unbefristeten Anstellung und durch betriebliche Strukturen und kollektive Vertretungsformen abgesichert arbeiten zu können, sind die unternehmerischen Leistungen von der Arbeitskraft selbst zu erbringen. Die alte ausgeprägt hierarchische Gliederung der Arbeitswelt mit Positionen, Befugnissen und entsprechenden Gratifikationen wird abgeflacht und die Positions orientierung weitgehend durch eine Projekt orientierung ersetzt. Eben weil es kaum noch Positionen, sondern vor allem befristete Projektarbeit gibt, steht die Arbeitskraft mit jedem Projektende neu zur Dis position und muss deshalb selbst etwas unternehmen, um als Arbeitskraft ein neues Projekt an Land zu ziehen.
    In psychologischer Perspektive stellt das unternehmerische Selbst in Gestalt des Arbeitskraftunternehmers einen neuen Persönlichkeitstypus dar, der sich mit den Erfordernissen der Entgrenzung im ökonomischen Bereich identifiziert und sie sich zueigen gemacht hat. Er entwickelt in sich selbst den Wunsch, nach den heute geltenden unternehmerischen Entgrenzungsaktivitäten zu handeln und ist deshalb als Arbeitskraft sein eigener
Unternehmer. Mit der Verinnerlichung der Methoden der Entgrenzung werden Rationalisierung, Ökonomisierung und Controlling nicht mehr als etwas Fremdes

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