Der Erdbeerpfluecker
an.
Mehr war nicht nötig, um sie erröten zu lassen.
Weiber, dachte er, als er sich einen Tisch suchte, an dem er allein sitzen konnte. Egal, wie alt sie sind, sie sind alle gleich.
Meine Mutter hatte mir das erste Kapitel ihres neuen Romans dagelassen. Sie war auf einen Sprung vorbeigekommen, wie sie das häufig tat, wenn sie in der Gegend war. Wir hatten Kaffee getrunken und ein bisschen geredet und von dem Kuchen gegessen, den sie von unterwegs mitgebracht hatte. Nach nicht mal zwei Stunden war sie wieder aufgebrochen. Wie schon so oft, hatte ich das Gefühl, dass sie es in unserer Wohnung nicht aushielt. Nicht, weil sie ihr nicht gefallen hätte, sondern weil sie mein neues Zuhause war.
»Liest du dir das mal durch?«, hatte sie mich gefragt und eine orangefarbene Mappe aus ihrer Tasche gezogen.
»Klar. Gleich heute Abend. Hab sowieso nichts vor.« Ich hatte die Mappe genommen und neben meinen Teller auf den Tisch gelegt. In diesem Augenblick war Caro in die Küche gekommen. »Lesefutter?«, hatte sie gefragt. »Darf ich auch mal einen Blick drauf werfen, wenn Jette damit fertig ist?« Sie hatte sich die Haare geschnitten, noch kürzer als sonst, und wie sie da so vor uns stand, so zierlich und zerbrechlich, sah sie aus wie ein Kind.
Meine Mutter nickte. Sie mochte Caro sehr, noch lieber als Merle, was wahrscheinlich daran lag, dass Caro ihr mit dem kurzen dunklen Haar verblüffend ähnlich sah. Aber vielleicht erkannte sie auch eine innere Verwandtschaft. Ich hatte schon oft gedacht, dass meine Mutter früher einmal gewesen sein musste wie Caro.
»Aber nur, wenn du mir deine Meinung dazu sagst.« Sie hielt Caro die Hand hin. »Versprochen?«
Caro schüttelte sie. »Versprochen.«
Meine Mutter fuhr wieder nach Hause. Ich nahm ihr Manuskript mit in mein Zimmer, machte das Radio an, legte mich aufs Bett, einen Kugelschreiber und einen Notizblock griffbereit, und betrachtete das Deckblatt.
Mord in der Stille.
Das hieß noch gar nichts. Es war lediglich der Arbeitstitel. Manchmal änderte der sich mehrmals, bis das Buch endlich fertig war.
Gut. Macht neugierig
, schrieb ich daneben. Meine Mutter hatte es gern, wenn ich Stellen, die mir gefielen, kommentierte. Sie erwartete auch, dass ich bei Stellen, die ich nicht gelungen fand, Verbesserungsvorschläge machte.
Merle und Caro beneideten mich darum, dass ich an den Büchern meiner Mutter mitbasteln durfte. Für mich war es längst nichts Besonderes mehr. Manchmal musste ich meine Mutter sogar bremsen, damit sie mir nicht alles anschleppte, was sie geschrieben hatte.
Hinter jedem Satz erkannte ich sie wieder. Ihre Ansichten. Ihre Hoffnungen und Ängste. Aber ich erkannte auch mich. Sie hatte eine ihrer Figuren mit einem Teil meiner Gedanken ausgestattet, hatte meinen Zwilling erschaffen, wenn auch nur auf dem Papier.
In solchen Augenblicken fand ich es schwierig, die Tochter einer Schriftstellerin zu sein. Dann wünschte ich mir eine Mutter, wie andere sie hatten. Mit der ich hätte reden können, ohne zu befürchten, sie könnte wenig später alles, was ich gesagt hatte, in ihren neuesten Roman einbauen.
Irgendwo hatte ich mal gelesen, wenn es um Stoff für ihre Werke gehe, seien Künstler skrupellos. Es tat mir weh, dass meine Mutter da keine Ausnahme machte.
Es klopfte und Caro steckte den Kopf ins Zimmer. »Darf ich?«
Ich legte das Manuskript zur Seite und setzte mich auf. »Wenns sein muss.«
Caro flachste nicht zurück, das war sonderbar. Sie räumte den Sessel frei, auf dem ich die Klamotten einer ganzen Woche abgelegt hatte, setzte sich mir gegenüber und spielte mit ihren Fingern. »Hast du schon mal einen Typen gehabt, der nichts von dir wollte?«, fragte sie.
In meinem Kopf ratterte es. So was fragte sie mich nicht ohne Grund. Ich sah sie genauer an. Obwohl es heiß war, trug sie ein langärmliges T-Shirt. Wie immer, wenn sie ihre Arme verstecken wollte.
»Wie meinst du das?«, fragte ich zurück. »Überhaupt nichts?«
Sie nickte.
Ich überlegte, was ich sagen sollte, aber sie kam mir zuvor.
»Eigentlich hat er mir verboten, über ihn zu sprechen.«
»Er hat dir
was
?«
Sofort fing sie an, ihn zu entschuldigen. »Er hat seine Gründe und die respektiere ich, auch wenn ich sie nicht kenne. Ich hab ja selbst so viel Mist erlebt, wie kann ich da über andere den Stab brechen?«
»Na hör mal, es steht keinem Mann zu, dir etwas zu verbieten, Caro.«
Sie druckste herum. »Richtig verboten hat ers mir ja auch
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